Jeden Tag gibt es ein weiteres Kapitel in der bedauernswerten Saga von Europas Hingabe an das Reich der Angst. Die unaufhaltsame Verschiebung des Kontinents ins Rechte steht gegen jedes Individuum und jede Gruppe, die nicht die gleiche Religion, Sprache, Ethnizität oder sogar soziale Schichten, die sie als „Andere" ansehen.
Der schwelende Zorn in den europäischen Gesellschaften gegenüber ihrer Staatsoberhäupter hat sich mit extremistischen Gefühlen verbunden, die sich gegen Flüchtlinge, juristische Ausländer und sogar Nachbarn richten. Dies schafft ein giftiges Umfeld. Manche behaupten, dass die eskalierenden Hass-Tiraden durch die neue Generation populistischer Politiker nur Bemühungen sind, die bereits vorhandenen rassistischen Tendenzen der europäischen Öffentlichkeit auszunutzen. Diese Tendenz ruhte in den vergangenen Jahrzehnten wegen dem europäischen Ideal der Integration und des Multikulturalismus. Gerade dieses Ideal zielte darauf ab, die inter-rassistischen Streitigkeiten zu überwinden, die den Zweiten Weltkrieg verursachten. Das prinzipielle Opfer des Aufruhrs, mit dem Europa jetzt zu kämpfen hat.
Die Kunst des Lebens
Der Diskurs wie „Freiheit durch Integration", „Multikulturalismus" oder „Zusammenleben" werden zugunsten eines Umfelds gezügelt, dass die „ursprüngliche Sünde" des vereinten Europas in erster Linie veranlasste.
Leider sind wir nicht mehr in der Lage, die Frage des berühmten Soziologen Richard Sennett zu beantworten: „Wie können wir zusammen leben, gleichwertig aber anders?"
Wir können die Arroganz oder gar Ignoranz für Europas Kapitulation zum Rassismus und Selbstsucht gegenüber den Flüchtlingen beschuldigen. Wir könnten sagen, dass die gegenwärtige Hass-Rhetorik, die Europa beherrscht, an der Angst vor einer noch nicht definierten und gegenwärtig unangefochtener Bewegung zu einem vereinigten Europa liegt. Dieses Europa hat solch ein Ausmaß an Feindseligkeit ausgelöst, dass es nur durch eine Rückkehr zur der intoleranten, aber für viele vertraute Vergangenheit, wo das deutsch oder niederländisch Sein mehr Wert hat, als jetzt ein Europäer zu sein.
Dieser schleichende Rassismus und Faschismus, vor allem, wenn es um Angriffe gegen die Türkei geht, löst nur eine schwache Reaktion von europäischen Liberalen aus, die durch das plötzliche Verbreiten des Rechtspopulismus in den Mainstream-Parteien Europas verblüfft sind.
Der neue Untermensch
In seinem Buch „Inventing Europe" charakterisierte Gerard Delanty die Identität Europas als etwas, das entweder auf die Ablehnung oder auf die Verleumdung der orientalischen Identität beruht. Es war diese Verleumdung, die sich durch Angriffe auf die jüdische Gemeinde in den 1930er Jahren manifestierte. Der neue „Untermensch" sind die muslimischen Studenten an Universitäten, Migranten in ganz Europa und der Islam in Europa in all seinen Formen.
Der Untermensch, glaube ich, ist nicht eine Sache einer Rasse, sondern eine Sache des Unterschieds. Das Abzielen von jemanden oder einer Gruppe, die „anders" sind, könnte die einzige Überlebensstrategie der europäischen Politik sein, die derzeit einem perfekten Sturm von wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Krisen gegenübersteht.
Wie sie in den jüngsten Spannungen zwischen der Türkei und den Niederlanden sehen konnten, brauchte man nur die Bedrohung das Amt zu verlieren, damit ein sogenannter Mainstream-Politiker sich zu einem wütenden, anti-türkischen Fanatiker umwandelt, dem kulturelle, kommerzielle und politische Verbindungen mit der Türkei nichts bedeuteten. Das Verhalten hinter dieser Art von Führung entfacht nicht nur den Faschismus, sondern auch den Mangel an moralischen und ethnischen Werten. Die Entmenschlichung ist genau wie Europa sich mit dem „anderen" beschäftigt und dabei Stereotypen produziert, bevor sie alles abwertet, wofür es auch immer steht. Mit der Herabsetzung zu einem Monster und sich selbst als das einzige zwischen einer idealisierten Vergangenheit und dem Ungewissen zu zeigen, spielen die europäischen Politiker ein gefährliches kurzfristiges Spiel für ihre engen Interessen, zum Schaden des langfristigen Überlebens ihrer liberalen Gesellschafen.
Die Art und Weise, wie Präsident Recep Tayyip Erdoğan in den westlichen Medien in den letzten Jahren dargestellt wird, ist nur eines der jüngsten Produkte der „bösen Industrie" der westlichen Gesellschaft. Es ist das „Böse", das unser Leben leichter macht, unsere Position in unserer Gesellschaft definiert und uns erlaubt „den Feind" so zu behandeln, wie wir es für richtig halten. Allerdings ist die diese Dämonisierung für diejenigen erfreulich, die dieses Feuer füttern, Muslime und Moscheen angreifen, den Hijab (das Kopftuch) kriminalisieren, die Daily Sabah aus dem Europäischen Parlament verbieten, Bürger mit unterschiedlichen Hintergründen oder Religionen als politisches Futter verwenden und willkürliche Reisemaßnahmen auferlegen, zeigen nur ihr angeborenen Schwachstellen und die allgemeine gesellschaftliche Abstieg in die Dekadenz.
Muslime werden als Aliens gebrandmarkt, die die europäischen Werte, und welche Interessen Europäer momentan wertschätzen, bedrohen. Wenn es der einzige Weg ist diese Werte zu verankern und die europäische Demokratie zu schützen, indem eine Gruppe dämonisiert wird, dann wird das europäische Ideal auf einer fadenscheinigeren Basis gegründet, als ich dachte.
Das größte Risiko sich der Angst und Dämonisierung zu ergeben, ist die Korruption, was als normal wahrgenommen wird. Dieses normale wird als abnormale Realität und Sorge verzerrt. Ohne irgendeine besondere Bedrohung oder Krise können die einfachen Menschen plötzlich anfangen illusorische Gefahren zu sehen und Maßnahmen gegen Gruppen zu ergreifen, die sie als verantwortlich sehen. Dies ist nur der erste Schritt in einen Abstieg in die Dunkelheit.
Eine Gruppe innerhalb der Gesellschaft als Sündenbock darzustellen ist der beste Weg für Populisten, um die öffentliche Frustration zu nutzen und die politische Leiter zu besteigen. Indem sie die gewöhnlichen Menschen verwirren und ihre Ängste ausnutzen, können diejenigen, die sich als Verteidiger der Demokratie und Freiheit darstellen, in rechtsextreme Rekruten verwandelt werden.
Das Ziel des Populismus
Erdoğan ist seit kurzem die Verkörperung des Muslims, des Türken, des Orientalischen und des Fremden geworden. Türken sind zum Sündenbock für viele Populisten geworden. Anfang dieses Monats wurden die Türken und Erdoğan als hässliche, Fes tragende, Schrecksfiguren auf einem Gummiboot dargestellt.
Erdoğan, als das Staatsoberhaupt der Türkei, ist ein ausgesprochener Kritiker der europäischen Politik gegenüber Flüchtlingen und der Haltung der EU gegenüber dem Beitrittsprozess der Türkei. Als ein sehr sichtbarer und populärer muslimischer Anführer ist er ein leichtes Ziel für die europäischen Zeitungen, Zeitschriften und Sozialen Medien ihn zu verunstalten. Dies gilt besonders für kleine europäische Länder mit gleichgültigen Staatsoberhäuptern, deren Wähler mehr über Erdoğan wissen, als über ihre eigenen Politiker. Indem er von den Medien in den Augen der europäischen Öffentlichkeit in eine virtuelle Personifikation des „anderen" verwandelt wird, wird es leichter, die Gewalt der Polizei gegenüber den Türken in Rotterdam, die Erdoğan-Plakate und die Zwangsabschiebung einer Ministerin zu legitimieren.
Der immense Hass und populistische Ehrgeiz sind nur eine Vorwarnung von schlechteren Dingen, die noch kommen werden. Randansichten werden zum neuen Mainstream, ein heftiger Teufelskreis übernimmt und plötzlich sind wir mit einer weit verbreiteten Meinung konfrontiert, dass der andere ein Muslim ist, ein Muslim ein Terrorist ist, Terroristen werden von uns getötet, daher müssen wir Muslime töten.
Der Kipppunkt ist nicht weit entfernt. Sobald dieser erreicht ist, wird es für uns alle zu spät sein.
Am Kipppunkt dieses Prozesses haben die Menschen in der Regel keine andere Lösung als verzweifelt feindliche Parolen zu zerstören. Dies wird für uns alle zu spät sein.
Zweifeln Sie nicht daran, dass wenn Europa in die Dunkelheit hinabsteigt, die Türkei unversehrt entkommen kann.