Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein kompromissloses Vorgehen gegen Rechtsextremismus gefordert.
Dieser müsse "in den Anfängen bekämpft werden - ohne jedes Tabu", sagte Merkel am Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte einen verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus an. Laut einem Bericht registrierte der Verfassungsschutz eine Zunahme rechter Gewalt.
Merkel mahnte, dass der Staat im Kampf gegen Rechtsextremismus "auf allen Ebenen" gefordert sei. Die Bundesregierung nehme das "sehr ernst". Die Kanzlerin warnte vor "einem Verlust der Glaubwürdigkeit", wenn der Rechtsextremismus nicht bekämpft wird. Das sei "das Gegenteil von dem, was wir brauchen: Vertrauen".
Die Kanzlerin reagierte damit auf den gewaltsamen Tod des CDU-Politikers Lübcke, der Anfang Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen worden war. Dringend tatverdächtig ist ein Mann mit rechtsextremistischem Hintergrund. Der Mord wurde zudem in sozialen Netzwerken von rechten Akteuren teils mit Häme und Schadenfreude kommentiert.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte Rechtsextremismus auf eine Stufe "mit dem islamistischen Terror" und kündigte einen verstärkten Kampf dagegen an. Der Rechtsextremismus sei "für unsere Gesellschaft zu einer echten Gefahr geworden", sagte er der Funke Mediengruppe. Wenn sich die Annahmen im Mordfall Lübcke bestätigten, sei "die Entwicklung brandgefährlich".
Die Arbeit der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und insbesondere der gewaltbereiten Anhänger und Netzwerke solle deutlich verstärkt werden, kündigte Seehofer an. Er wolle "dem Rechtsstaat mehr Biss geben". Der Mordfall Lübcke motiviere ihn, "alle Register zu ziehen, um die Sicherheit zu erhöhen".
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte ein Engagement der ganzen Gesellschaft. "Zeigen wir, dass wir mehr sind als die Rechtsradikalen, die Antisemiten, die Spalter", schrieb Maas in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. Vorbild könnten auch die wöchentlichen Klimaproteste junger Menschen sein: "Vielleicht braucht unser Land nicht nur die 'Fridays for Future', die so viel in Bewegung gebracht haben, sondern auch einen Donnerstag der Demokratie."
Die Sicherheitsbehörden registrierten laut einem Zeitungsbericht im vergangenen Jahr eine Zunahme rechter Gewalt in Deutschland. Laut "Bild am Sonntag" stieg die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten im Jahr 2018 auf 48 - nach 28 im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr habe es sechs versuchte Tötungsdelikte gegeben, die als mutmaßlich rechtsextremistisch eingestuft werden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf den Jahresbericht 2018 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der am Donnerstag vorgestellt werden soll.
Im vergangenen Jahr wurden demnach insgesamt 24.100 Menschen als rechtsextrem eingestuft. Im Jahr 2017 seien es 24.000 gewesen. Fast jeder zweite Rechtsextreme werde vom Verfassungsschutz als "gewaltorientiert" eingestuft. Bei den Linksextremisten sind es demnach rund 9000.
In Kassel nahmen am Samstag nach Schätzungen der Polizei rund 2000 Menschen an einer Demonstration unter dem Motto "Gemeinsam gegen rechten Terror" statt. Zum Gedenken an den getöteten Regierungspräsidenten Lübcke legten die Teilnehmer eine Schweigeminute ein und warfen Rosen in die Fulda.