Nur zwei der Kästchen leuchten am Ende rot auf - zwei rote Punkte zwischen 181 grünen Feldern im Abstimmungsergebnis zum neuen UN-Flüchtlingspakt.
Mit dieser überragenden Mehrheit haben die Vereinten Nationen nach Annahme des Migrationspakts in Marokko für einen weiteren Pakt zum Thema gestimmt. Er soll Flüchtlingen mitunter besseren Zugang zu Schulen, Arbeit und Gesundheitsversorgung verschaffen. Nur die USA und Ungarn stimmten in New York mit Nein. Drei Länder enthielten sich, sieben blieben der Sitzung am Montag fern.
Fast sang- und klanglos ging die Abstimmung im UN-Plenarsaal über die Bühne, eine Sache von Minuten zwischen Debatten zu den Rechten Indigener und zu Menschenhandel. Deutschlands stellvertretender Botschafter Jürgen Schulz ergriff dennoch das Wort: Wohl nur einmal in einer Generation könne die Welt beim Thema Flüchtlinge so ein neues Kapitel aufschlagen. Die 21 Seiten lange Übereinkunft sei nicht nur eine Chance, sondern «historische Notwendigkeit», sagte Schulz. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi sprach von einem «guten Tag» und sagte, die oft stigmatisierten Flüchtlinge und Migranten hätten Mitgefühl und Unterstützung verdient.
Rechtlich bindend ist der sogenannte «Global Refugee Compact», über den seit September 2016 verhandelt wurde, wie auch der Migrationspakt nicht. Für den Umgang mit Flüchtlingen gelten weiter die Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und anderer internationaler Abkommen. Konkrete Vorgaben darüber, wie viele Flüchtlinge ein Land aufnehmen sollte, macht er auch nicht.
Vertreter rechter Parteien und Lager hatten trotzdem gegen die Übereinkunft Stimmung gemacht. Nationalisten, Populisten und Rechtsextreme hätten Falschinformationen über den Pakt verbreitet, teilte die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC) mit. Der Pakt sei aber der Versuch, flüchtende Menschen «zivilisiert und mit etwas Verstand» zu schützen, twitterte NRC-Generalsekretär Jan Egeland.
In Deutschland hatte die AfD etwa von «unverantwortlichen Plänen» gesprochen und von einer drohenden «Einwanderungswelle» gesprochen. Deutschland erfüllt aber längst die meisten Anforderungen des Pakts. Würden andere Staaten ihn konsequent umsetzen, könnte Deutschland im Hinblick auf Flüchtlinge sogar entlastet werden.
«Dieses Paket öffnet eine Hintertür für die Ankunft von Migranten in Europa», sagte auch Ungarns Außenminister Peter Szijjarto, dessen UN-Delegation gegen den Pakt stimmte. Tschechien stimmte unerwartet dafür, obwohl Regierungschef Andrej Babis ihn in einem Interview am selben Tag noch strikt abgelehnt hatte. Aus diplomatischen Kreisen hieß es, der sozialdemokratische Koalitionspartner CSSD habe den populistischen Ministerpräsidenten noch kurzfristig umstimmen können.
Der Flüchtlingspakt soll vor allem von Armut und geringem Einkommen geprägte Länder stärken, die sehr viele Flüchtlinge aufnehmen. So soll etwa die oft ohnehin schlechte Infrastruktur oder Gesundheitsversorgung verbessert werden. Die Hoffnung ist zudem, durch den Pakt mehr Menschen außerhalb von Flüchtlingslagern unterzubringen. Auch die Umsiedlung in Drittländer soll erleichtert werden, etwa indem Familien zusammengeführt werden oder durch die Vergabe von Schüler-Stipendien und humanitären Visa.
80 Prozent der Flüchtlinge weltweit leben verteilt in nur zehn Ländern, die meisten davon in der Türkei, in Pakistan, Uganda und im Libanon. Auch Deutschland zählt zu diesen zehn Ländern.
In einer Videobotschaft an die UN sagte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, dass «Leid nicht das Schicksal» von Flüchtlingen sein dürfe. «Es sollte keine verlorenen Generationen geben.» Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach in einer weiteren Videobotschaft von einem «historischen Schritt».
Über den Erfolg des Pakts soll ab 2019 alle vier Jahre auf Ministerebene Bilanz gezogen werden. Bei diesem «Global Refugee Forum» sollen Staaten auch Zusagen zu finanzieller und materieller Hilfe sowie Angebote zur Umsiedlung machen. Ab 2023 soll in diesem Rahmen überprüft werden, ob frühere Zusagen eingehalten wurden.
Ende 2017 gab es nach UN-Angaben weltweit 68,5 Millionen Flüchtlinge, davon waren rund 40 Millionen Vertriebene im eigenen Land.