Küsschen und freundliche Worte, aber keine Kompromisse: Bei ihrem Besuch im Weißen Haus ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von US-Präsident Donald Trump mit demonstrativer Herzlichkeit empfangen worden, Einigungen in zentralen Streitfragen konnte sie aber nicht erreichen. Nach ihrem Kurzbesuch am Freitag bleibt ungewiss, ob die EU von den US-Strafzöllen ausgenommen bleibt und wie Trump mit dem Atomabkommen mit dem Iran verfahren wird.
Trump schwärmte von seiner "wirklich großartigen Beziehung" zur Kanzlerin, die er mit Küsschen auf beide Wangen empfing. Er gratulierte ihr zur Wiederwahl, nannte sie "Angela" und pries sie als "außergewöhnliche Frau". Merkel wiederum hob hervor, wie sehr ihr daran gelegen sei, die Zusammenarbeit mit den USA zu vertiefen.
Merkels kurze Arbeitsvisite folgte auf einen dreitägigen Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in den USA. Beide versuchten Trump im Sinne der EU zu beeinflussen. Doch zum Ende seiner rund zweieinhalbstündigen Gespräche mit Merkel ließ Trump weiter offen, wie er sich zum Handelsstreit mit den Europäern und zum Iran-Abkommen positionieren wird.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bundeskanzlerin sagte Trump nur, er arbeite mit Merkel daran, "Schranken für US-Exporte zu reduzieren". Zugleich beklagte er sich erneut über das US-Defizit im Handel mit der EU. Die vorläufige Befreiung der Europäer von seinen Strafzöllen auf Stahl und Aluminium läuft am Dienstag aus. Die EU will dauerhaft ausgenommen werden. Merkel sagte dazu lediglich: "Der Präsident wird entscheiden."
Im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran kam Merkel dem US-Präsidenten entgegen, indem sie - wie schon zuvor Macron - das Abkommen von 2015 als unzulänglich bezeichnete. Die Vereinbarung sei zwar ein "erster Schritt". Sie reiche aber nicht, "eine Rolle des Iran zu erreichen, die auf Verlässlichkeit gründet". Als "Gegenstand größter Besorgnis" bezeichnete die Kanzlerin das Raketenprogramm des Iran sowie die iranischen Aktivitäten in Syrien und im Libanon.
Die an dem Abkommen beteiligten europäischen Staaten sind bereit, über Ergänzungen zu verhandeln. An den bestehenden Vereinbarungen wollen sie aber festhalten. Merkel nannte das Abkommen einen "Baustein". Trump will das Atomabkommen dagegen womöglich komplett aufkündigen. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben muss er bis 12. Mai entscheiden, ob er die auf Grundlage des Abkommens ausgesetzten Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzt.
Merkel zeigte Verständnis für Trumps Kritik, dass Deutschland zu wenig für die Verteidigung tue. Die Deutschen müssten lernen, international "mehr Verantwortung zu übernehmen", sagte die Kanzlerin. Sie bekannte sich zu dem in der Nato vereinbarten Ziel, die Verteidigungsbudgets auf zwei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung zu erhöhen.
Die Kanzlerin kündigte an, der Verteidigungshaushalt solle von einem Anteil von derzeit etwa 1,24 Prozent im kommenden Jahr auf 1,3 Prozent steigen. Deutschland sei damit zwar "längst nicht da, wo wir hin müssen", doch gehe es schrittweise voran. Der neue US-Außenminister Mike Pompeo hatte kurz zuvor bei einem Nato-Treffen in Brüssel die Bundesregierung offen dafür kritisiert, bei den Verteidigungsausgaben nicht die in der Nato eingegangenen Verpflichtungen zu respektieren.
Merkels Besuch verlief zwar deutlich nüchterner als der vorherige Staatbesuch Macrons, der mit viel Pomp inszeniert worden war. Gleichwohl waren Trump wie die Kanzlerin bemüht, nach ihrem in sichtlich verkrampfter Atmosphäre verlaufenen Treffen im Weißen Haus im März 2017 nun eine freundlichere Atmosphäre zu schaffen.
So gab der Präsident seiner Besucherin vor laufenden Kameras im Oval Office gleich zwei Mal die Hand. Beim vorherigen Besuch hatte ein unterlassener Händedruck des Präsidenten viel Wirbel ausgelöst.