Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verschärft kurz vor dem G20-Gipfel in Hamburg den Ton gegenüber der Bundesregierung. In einem am Mittwoch in Teilen vorab veröffentlichten Gespräch mit der "Zeit" kritisiert er, nicht vor Landsleuten in Deutschland sprechen zu können.
"Deutschland begeht Selbstmord", wird Erdoğan zitiert. "Deutschland muss diesen Fehler korrigieren." Die Bundesregierung hatte Erdoğan zuvor nachdrücklich davor gewarnt, entgegen ihrem Willen am Rande oder nach dem G20-Gipfel vor Anhängern öffentlich zu sprechen.
Erdoğan kritisierte die Bemühungen der Bundesregierung im Fall des seit Monaten in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. "Dass Frau Merkel überhaupt die Rettung eines Terrorverdächtigen auf die Tagesordnung bringt, war für mich auch sehr, sehr sonderbar", sagte er. Auf die Frage, ob ein Journalist, der Terroristen oder auch nur einen vermeintlichen Terroristen interviewe, dadurch in seinen Augen zum Unterstützer werde, sagte der Präsident: "Sie leisten damit Beihilfe zur Propaganda der Terroristen. Das wird auch von den Anklageorganen überall auf der Welt so bewertet".
Erdoğan betonte zugleich die Bedeutung der türkisch-deutschen Beziehungen angesichts der gemeinsamen Mitgliedschaft in der Nato, der Handelsbeziehungen und der Millionen Türken, die in Deutschland leben. "Wir brauchen einander", erklärte er. "Wir müssen das bewahren."
Erdoğan sagte zudem, er habe sich nicht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel überworfen. "Ich habe kein Problem mit der Kanzlerin." Allerdings seien die Beziehungen in der Regierungszeit ihren Vorgängers Gerhard Schröder "wirklich sehr anders" gewesen seien: "Ich hoffe, dass wir wieder dahin kommen."