Sigmar Gabriel: Verfassungsschutz soll AfD beobachten

DPA
BERLIN
Veröffentlicht 20.01.2017 00:00
Aktualisiert 20.01.2017 11:30
EPA

Nach der heftig kritisierten Rede des AfD-Politikers Björn Höcke zum Umgang mit dem Holocaust-Gedenken werden Forderungen laut, die Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, der Rechtsstaat dürfe sich nicht an der Nase herumführen lassen. «Die AfD muss endlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden.» Die AfD habe die NPD «als Sammelbecken für rechtsradikale Hetzer endgültig abgelöst», schrieb der Vizekanzler und Wirtschaftsminister auf Twitter. Das Bundesinnenministerium teilte am Donnerstagabend mit, der Verfassungsschutz habe bislang keine Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung der AfD als Gesamtpartei feststellen können.

Für eine Beobachtung plädierte auch SPD-Vize Ralf Stegner. «Herr Höcke ist ein Rechtsextremer, der die AfD zur Nachfolgepartei der NPD machen will», sagte Stegner der Funke Mediengruppe (Freitag). Den Verfassungsschutz brachte auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ins Spiel. «Der Verfassungsschutz muss ein scharfes Auge auf die AfD insgesamt und auf einzelne Personen aus der AfD haben», sagte Strobl der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Donnerstag). «Wenn die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen, muss schnell gehandelt werden.»

Höcke hatte am Dienstagabend offensichtlich mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin in einer Rede in Dresden gesagt: «Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat» - und damit für Empörung gesorgt. Der Thüringer Partei-und Fraktionschef der AfD wies später «bösartige und bewusst verleumdende Interpretationen» seiner Rede zurück.

Auch das Thüringer Innenministerium reagierte zurückhaltend: An der bisherigen Beurteilung habe sich nach den Äußerungen Höckes in Dresden vorerst nichts geändert, sagte ein Ministeriumssprecher in Erfurt. Die Meinungsbildung darüber sei aber noch nicht abgeschlossen. Thüringens Verfassungsschutz will nach einem Bericht der «tageszeitung» die Höcke-Rede zumindest unter die Lupe nehme. «Wir prüfen die Rede und die Reaktionen darauf in der Partei», sagte Behördenchef Stephan Kramer der Zeitung.

Gegen die Fassade des Ballhauses Watzke, in dem der AfD-Politiker geredet hatte, verübten Unbekannte einen Farbanschlag. Sie hätten in der Nacht zum Donnerstag knapp zwei Dutzend mit verschiedenen Farben gefüllte Kunststoffkugeln gegen die Fassade geworfen, sagte ein Polizeisprecher. Da ein politisches Motiv vermutet werde, habe der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.

Die Kritik am Thüringer AfD-Chef hielt an. Nach Meinung des Zentralrats der Juden in Deutschland hat die AfD «mit diesen antisemitischen und in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten ihr wahres Gesicht» gezeigt. Die Evangelische Kirche in Deutschland erklärte, sie sei nicht zu offiziellen Gesprächen mit der AfD bereit. «Es gibt bestimmte Haltungen, die mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar sind», sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in München. Dazu gehörten Rassismus und Antisemitismus.

Das könne man zwar nicht an «den drei Buchstaben A-f-D» festmachen. Schließlich schlössen sich Menschen auch aus Angst und Protest den Rechtspopulisten an - und die seien mit Gesprächen durchaus erreichbar. Aber: «Da gibt es richtige Nazis in der Partei», sagte Bedford-Strohm.

Für den umstrittenen Dresdner Richter Jens Maier könnte ein Auftritt während der Veranstaltung mit Höcke Folgen haben. Das Landgericht Dresden prüft nach eigenen Angaben Disziplinarmaßnahmen. Es gehe um einen möglichen Verstoß gegen Paragraf 39 des Deutschen Richtergesetzes. Danach muss sich ein Richter auch bei politischer Betätigung so verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.

Laut einem MDR-Bericht hatte das Parteimitglied Maier während der AfD-Veranstaltung am Dienstagabend vom «Schuldkult» der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg gesprochen und ihn für «endgültig beendet» erklärt.

Gerichtspräsident Gilbert Häfner erklärte: «Bei den Äußerungen handelt es sich um die private Meinung von Herrn Maier, die nicht die Meinung des Landgerichts widerspiegelt.» Im Rahmen der Dienstaufsicht werde geprüft, ob der Richter der für Medien- und Pressesachen zuständigen Zivilkammer das auch im privaten Bereich geltende Mäßigungsverbot verletzt habe.

Maier hatte bereits 2016 für Schlagzeilen gesorgt, als er dem renommierten Dresdner Politologen Steffen Kailitz auf Antrag der NPD kritische Aussagen über die rechtsradikale Partei zunächst verbot.

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