Am 24. September 2017 wählt Deutschland eine neue Regierung. Das Statistische Bundesamt prognostizierte die Anzahl der türkeistämmigen Wähler in Deutschland auf ca. 720.000. Die Einflussmöglichkeit der Türkeistämmigen auf die Bundestagswahl liegt statistisch gesehen bei ca. 1,2 Prozent. Ein Monat vor der 19. Bundestagswahl treffen sich die Rechten, die Linken, die Liberalen und die politische Mitte beim Thema Türkei auf demselben Nenner. Der politische Wind weht in Deutschland nun rechtslastig.
Zusätzlich stellen wir fest, dass ein Teil der türkischstämmigen Bevölkerung, die seit mehr als ein halbes Jahrhundert in Deutschland lebt und mit sozialen und wirtschaftlichen Aspekten einen bedeutenden Mehrwert zu diesem Land beigetragen hat, während der Wahlkampfphase systematisch angegriffen wird.
Wie vor kurzem an die Öffentlichkeit gelangt, verfassten der Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und der Bundesjustizminister Heiko Maas, die der sozialdemokratischen Partei SPD angehören, einen gemeinsamen Gastbeitrag für die Onlineausgabe vom „Spiegel". In diesem Artikel finden wir Botschaften und indirekte Androhungen, die sich insbesondere an jene türkischstämmigen Wählerschaften richten, die mit der türkischen Regierung sympathisieren.
Fast wie von einem rechtspopulistischen Politiker handsigniert, wird die folgende Botschaft angekündigt: „Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass unsere türkischen Mitbürger nicht nur die mittlerweile nur noch auf Erdoğan-Kurs sendenden türkischen Medien konsumieren, sondern bei ihrer politischen Meinungsbildung offen für plurale, europäische Medien bleiben." Nun will man den Leuten anscheinend auch vorschreiben, welche Medien sie konsumieren möchten und was nicht.
Im weiteren Verlauf des Artikels werden die Unterstützer der Politik des türkischen Präsidenten und die Sympathisanten der PKK auf die gleiche Stufe gestellt. So wie die PKK bekämpft wird, so werden laut dem Beitrag auch diejenigen bekämpft, die ideologische und finanzielle Einflussnahme auf Moscheen und religiöse Gemeinden beabsichtigen. Gemeint sind damit die staatlichen Institutionen der Türkei, denen man mit verbalen Unterstellungen konfrontiert. Der politischen Opposition hingegen scheint man freundlich gesinnt: „Unser Land muss die Menschen in Schutz nehmen, die sich gegen Erdoğans Kulturkampf und Propaganda stellen."
Cemile Giousouf, eine türkeistämmige Bundestagsabgeordnete der CDU, hingegen begibt sich in ganz andere Dimension, sie fordert ein Verbot zur Teilnahme an den Wahlen in der Türkei für die türkischen Staatsbürger in Deutschland.
Wir bewegen uns also in eine Phase, wo darüber diskutiert wird, AK-Partei- und Erdoğan-nahe Personen und Gemeinschaften unter Strafe zu stellen.
Konservative türkische Bürger fühlen sich einem ansteigenden politischen Assimilationsdruck ausgesetzt und dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt.
Im Gegensatz dazu pflegt man gegen FETÖ-Mitglieder eine gesteigerte Willkommenskultur. Bei Putsch-Verdächtigen FETÖ-Mitgliedern steht oft die Unschuldsvermutung im Vordergrund – auch wenn entsprechende gerichtliche Gesuche aus der Türkei vorliegen. Man beharrt immer auf explizite Beweise, wie genau diese aussehen sollen, wissen viele nicht. Jedenfalls ist es mittlerweile unstrittig, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 steht. Über 290 Menschen kamen damals ums Leben und mehr als 2000 wurden verletzt.
Aufruf CDU, SPD und GRÜNE nicht zu wählen
Der türkische Präsident hat kürzlich dazu aufgerufen, CDU, SPD sowie die GRÜNEN nicht zu wählen. Die PKK-nahe Linke und die rechtspopulistische AfD verdienen nicht mal gesonderte Erwähnung. Es sind jene Parteien, die ohnehin offen feindselige Einstellung gegenüber der türkischen Regierung pflegen. Zumindest unterscheiden sie sich von den Sozialdemokraten, die mit der Begründung, den Türken nahezustehen, vor den Moscheen um Stimmen werben und anschließend Feindseligkeit gegenüber der türkischen Regierung propagieren. Die SPD ist die Partei, die ca. über 60 Prozent Stimmenanteil bei türkischstämmigen Wählern verbuchte.
Dann wären da noch nennenswert die die Liberalen. Die FDP ist ebenso für ihre Erdoğan-kritisch Haltung bekannt; die BIG-Partei, die die Wahl boykottiert sowie die von Deutschtürken gegründete ADD-Partei, die nur im Bundesland NRW zur Wahl antritt und die Fünf-Prozent-Hürd nicht überschreiten und somit politisch kaum eine Wirkung erzielen wird.
Wir stellen fest, dass der Aufruf des türkischen Präsidenten in der deutschen politischen Landschaft große Empörung weckte. Obwohl vor kurzem noch die meisten politischen Parteien in Deutschland offen bei den Parlamentswahlen in der Türkei die HDP-Propaganda und während der Referendumphase, die „NEIN"–Kampagne unterstützten und sich somit aktiv in der türkischen Innenpolitik beteiligt. Damit haben die deutschen Politiker ihre heuchlerische Haltung noch einmal deutlich gemacht.
Trotz der unzähligen Terroranschläge, dem blutigem Putschversuch und ernsthaften Bedrohungen an der Grenze, denen unser Land seit geraumer Zeit ausgesetzt ist, führt die Türkei gegen die terroristischen Organisationen einen aufrichtigen Kampf – auch wenn Deutschland bereits mehrmals versuchte, sich in die inneren Sicherheitsangelegenheiten der Türkei einzumischen.
Auch sehen sich zwei der wichtigsten Minister des Landes, ein Monat vor der Bundestagswahl, gezwungen einen Gastbeitrag über den türkischen Präsidenten zu verfassen. Diese Absicht belegt die Wichtigkeit der deutschen Türkei-Politik für den Ausgang der Bundestagswahlen. Das Thema Türkei, so scheint es, dient zur Besänftigung der Wähler-Gemüter hinsichtlich der eigenen Innenpolitik.
Der Vorsitzende der FDP, Christian Lindner, forderte zuletzt die Beitrittsverhandlungen zu stoppen. Beim Thema Außenpolitik und insbesondere beim Thema Erdoğan, haben die deutschen Politiker zweifelsohne die identischen Ansichten, jedoch werden vor allem die Feindseligkeiten der Sozialdemokraten der SPD einen hohen Preis bescheren - es droht der Verlust der Stellung als Koalitionspartner. Vielleicht ist dies der Grund, um mit populistischen Mitteln Wahlkampf zu betreiben. Der letzten Umfrage zufolge liegen die CDU/CSU bei 40 Prozent und die FDP bei 9 Prozent. Das heißt, wenn die FDP ihre Stimmen weiter erhöht, könnte, wie zwischen 2009-2013 auch, eine christlich-liberale Regierung entstehen. Somit würde die SPD aus der Koalition ausscheiden.
Wir hoffen, dass Deutschland zeitnah seine populistische Rhetorik beiseitelegt und die Türkei nicht mehr führ eigene Interessen instrumentalisiert. Die Parteien sind es ihren Wählern schuldig.