Der neue Innenminister, Horst Seehofer, hat kürzlich gesagt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt." Diese Aussage löste prompt Reaktionen aus, sowohl von Demokraten als auch von Rechtspopulisten. Bevor er Innenminister wurde, war Seehofer Vorsitzender der CSU und Ministerpräsident von Bayern. Er räumte diese Ämter, nachdem seine Partei bei den letzten Bundeswahlen eine schwere Niederlage erlitten hatte. Ich wünschte, er wäre nicht Innenminister geworden, da er scheinbar davon ausgeht, dass der Kampf gegen die „Alternative für Deutschland" (AfD) bedeutet, den Diskurs der Partei zu übernehmen. Deutschland braucht hingegen derzeit einen Innenminister, der die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes annehmen kann, ohne in Leitkultur-Debatten zu verfallen.
Gegenwärtig ist die Sicherheit der Muslimen in Deutschland im hohen Maße von rechtsextremen und rassistischen Gruppen sowie der Terrorgruppe PKK bedroht. Neonazis und PKK-Anhänger organisieren Angriffe auf Moscheen sowie Büros, Vereine und Häuser von Muslimen. Splittergruppen und Jugendorganisationen der PKK haben öffentlich erklärt, dass sie ihre Angriffe auf Türken in Europa verschärfen würden – diese Bedrohung wurde auch vom Bundeskriminalamt (BKA) bestätigt.
Wie ist es möglich, dass der Innenminister nicht erkennen kann, dass er mit seiner letzten Bemerkung, Öl ins Feuer gießt? Wer behauptet, dass Deutschland nur vom Christentum geprägt ist, hat entweder den Geschichtsunterricht verpasst oder einiges falsch verstanden.Dies stellt zudem eine große Ungerechtigkeit gegenüber Juden dar, die einen wesentlichen Bestandteil der deutschen Kultur ausmachen.
Solch eine unzutreffende Behauptung ist in Deutschland und Europa inakzeptabel. Der Islam gehört sowohl zu Europa als auch zu Deutschland. Zum Beispiel bin ich, als ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, Europäer und zugleich Muslim. Glücklicherweise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Äusserungen von Seehofer widersprochen. Die deutsche Kultur sei von Christentum und Judentum geprägt, betonte Merkel; auch sagte sie, dass derzeit rund 4 Millionen Muslime in Deutschland lebten. Während einer Pressekonferenz in Berlin stellte Merkel klar, dass die Muslime und der Islam sehr wohl zu Deutschland gehören.
Auch andere CDU-Politiker haben dem Innenminister widersprochen. Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte: „Religionsfreiheit auf dem Boden des Grundgesetzes gehört unstreitig zu Deutschland, genau wie auch die Muslime in Deutschland mit ihrem Glauben, dem Islam, zu unserem Land gehören."
Ebenso hat sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, von den Äußerungen des Innenministers distanziert. „Solche Sätze bringen uns nicht weiter. Sie liefern keinen Beitrag zur Lösung der Herausforderungen, vor denen wir stehen", sagte Widmann-Mauz der „Rheinischen Post".
Auch die Oppositionsparteien kritisierten Seehofer scharf. Bei den Sozialdemokraten (SPD), den Grünen und Linken war dies aufgrund ihrer politischen Haltung zu erwarten. Jedoch war die AfD-Kritik am aussagekräftigsten. Der rechtspopulistische AfD-Chef Alexander Gauland warf dem Innenminister vor, den Diskurs der AfD zu kopieren. Gauland sagte: „Dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, sagen wir seit langem." Seehofer kopiere die Perspektiven der AfD zu Fragen der inneren Sicherheit. Gauland sagt hier tatsächlich die Wahrheit. Seehofer strebt an, den Stimmanteil seiner Partei bei den bayerischen Landtagswahlen zu erhöhen. Dafür bedient er sich der AfD-Rhetorik.
Der traurigste Teil bei der ganzen Sache: Seehofer, als Innenminister Deutschlands, unterstützt indirekt die diskriminierenden Aktivitäten gegenüber Muslimen – und das, in Zeiten steigender Angriffe auf Muslime in Deutschland. Eigentlich sollte er nach so einer skandalösen Aussage sein Amt niederlegen.
Im Fall von Seehofer sind die Muslime in der Bundesrepublik erneut vom deutschen Staat enttäuscht worden. Andererseits war Merkels Haltung erfreulich. Sie zeigte durch ihre Haltung, dass sie eine Kanzlerin ist, die wirklich jeden in Deutschland vertritt. Hoffentlich hat der Innenminister seine Lektion gelernt.