Die Türkei und die USA sind zwei alte Verbündete. Sie sind aufeinander angewiesen, und bereits seit Jahrzehnten strategische Partner. Die USA können sich nicht erlauben, die Türkei zu verlieren, da sie die einzig echte Demokratie im Nahen Osten darstellt, die zudem eng mit dem Westblock verbunden ist. Andererseits kann die Türkei nicht auf die USA verzichten, weil sie von einer mehrdimensionalen Außenpolitik profitiert und die Beziehungen weit über strategische und politische Verflechtungen hinausragen.
Ich verweise hier nochmals auf die wichtige Partnerschaft, da ich betonen möchte, dass die S-400-Krise zwischen den beiden Ländern ihre Freundschaft und ihr Bündnis nicht überschatten darf. Die Regierung von Präsident Donald Trump sollte diesen Punkt vor Augen halten - dies wurde auch so beim letzten Telefonat zwischen den beiden Staatspräsidenten formuliert. Trump plant nun im Sommer einen Staatsbesuch in der Türkei.
Die USA verwenden das F-35-Projekt seit einiger Zeit als Druckmittel gegen Ankara und drohen mit einem Ausschluss der Türkei, wenn sie am S-400-Kauf festhält. Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte daraufhin am Dienstag, das Vorhaben würde ohne türkische Beteiligung zusammenbrechen.
Wie auch andere NATO-Verbündete ist die Türkei sowohl ein potenzieller Käufer als auch ein Partner bei der Herstellung der F-35-Jets, welche 2015 in den Vereinigten Staaten in Produktion genommen wurden. Um die Auswirkungen der Nutzung der S-400 durch die Türkei kalkulieren zu können, hat Ankara einen Vorschlag zur Errichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit den USA verbreitet. Bis heute bleibt jedoch eine Antwort von Seiten der US-Behörden aus.
Die Türkei betont stets, dass sie mehrdimensionale Partnerschaften pflegt und derartige Entscheidungen entsprechend eigener Interessen trifft. Daher ist es wichtig hervorzuheben, dass die Türkei den Kauf der S-400 nicht als Schritt zur Änderung ihrer Außenpolitik betrachtet. Sie wird weiterhin die Vereinigten Staaten als strategischen Partner wahrnehmen und keinen negativen Einfluss auf die NATO haben.
Ganz im Gegenteil: Die Türkei ist und bleibt ein loyales NATO-Mitglied. Sie ist ein starkes Land im Bündnis, und es ist nicht vorstellbar, dass Ankara gegen die Interessen der NATO handeln könnte. Die Türkei will jedoch auf der anderen Seite nicht von den USA bevormundet werden. Die Türkei ist ein großes Land mit freiem Willen, das mit möglichst vielen Großmächten Beziehungen einzugehen vermag. Erdoğans Erklärung, wonach man nicht schweigen werde, „wenn unser Recht auf Selbstverteidigung missachtet wird und jemand versucht, uns dort zu treffen, wo es weh tut", sollte in diesem Zusammenhang verstanden werden.
Die USA müssen sich von ihren Ängsten vor einer vermeintlich russisch-türkischen Bedrohung befreien. Die Furcht vor einer russischen Invasion ist eine veraltete Haltung des Kalten Krieges. Auch wenn es immer wieder Spannungen zwischen den USA und Russland geben kann, ist die Welt nicht mehr die gleiche. Sie ist nicht mehr bipolar, sondern multipolar, und die Türkei möchte sich durch multidimensionale Beziehungen einen Platz darin verschaffen.