Im Vorfeld der Wahlen am 24. Juni hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf seinem sechsten ordentlichen Kongress in Istanbul am 6. Mai das Wahlmanifest der regierenden Partei der Gerechtigkeit und Aufschwung (AK-Partei) enthüllt.
Ich habe den Kongress als Journalistin besucht und trat im Anschluss mehreren Fernsehsendungen mit einigen führenden Persönlichkeiten der AK-Partei bei.
Der Kongress, der in einer riesigen Sporthalle stattfand, war mit riesigen Fahnen und Plakaten geschmückt - Tausende fanden ihren Platz auf den Rängen. Bereits gegen Nachmittag gab es in der der gesamten Halle keinen freien Platz mehr. Die Menge im Saal war jedoch im Vergleich zu den draußen versammelten Menschen winzig klein. Bereits vor dem Eingang der Halle bildete sich eine große Menschenschlange – die sich fast 1,5 Kilometer in die Länge zog.
Premierminister Binali Yıldırım war der erste, der in der Kongresshalle eintraf. Nachdem er zuvor die Menge vor der Halle angesprochen hatte, hielt er auf dem Kongress eine weitere Rede.
Kurz darauf erschien auch Präsident Erdoğan in Begleitung von First Lady Emine Erdoğan, seiner Tochter Esra Albayrak und seinem Schwiegersohn Berat Albayrak. In der Zwischenzeit hatte es angefangen zu regnen. Ungeachtet dessen hielt Erdoğan eine lange Rede, die sich sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart bezog. Dann traten sie in den Saal ein.
Erdoğan begann seine Rede auf dem Kongress um genau 15.05 Uhr. In der ersten Hälfte seiner Rede ging er vor allem auf den Fortschritt der AK-Partei und den damit zugleich verbundenen Gefahren ein.
In der zweiten Hälfte betonte er die Bedeutung der Begriffe Freiheit und Gerechtigkeit. Er bezog sich bei seiner Rede auf alle ethnischen und religiösen Gruppen in der Türkei. Hierbei standen auch die Kopftuchtragenden Frauen im Fokus, die zuvor keine Ausbildung erhalten konnten - und die ehemals marginalisierte kurdische Bevölkerung des Landes. Erdoğan erinnerte daran, wie all diese Gruppen in der Vergangenheit ungerecht behandelt worden waren und fügte hinzu: „Wir haben immer gesagt, dass der Staat für das Volk existiert und nicht umgekehrt."
Er stellte dabei die individuellen Freiheiten in den Vordergrund und nährte die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Er versprach, dass der Staat für alle Bürger Gerechtigkeit bringen werde.
„Die AK-Partei strebt nach Freiheit. Die Sicherung des Wohlstands unserer Nation ist ebenso wichtig wie die Beseitigung der Hindernisse für die Freiheit des Denkens und des Glaubens sowie für die Freiheit des Einzelnen", sagte Erdoğan und fügte hinzu, dass er in Zukunft mehr für die Demokratie tun wolle.
Er klärte zudem ausführlich über Terrorismusbedrohungen und den Kampf gegen den Terrorismus auf. Aber die liberalen Botschaften, die er gab, machten den wesentlichen Inhalt seiner Rede aus. Zum Beispiel sagte Erdoğan, dass sich die Regierung in einer Zeit, in der die Welt zum Protektionismus neigt, mehr für den Wettbewerb interessiere.
Er wies auch auf die Bedeutung eines Rechtsstaates hin und sagte mit Betonung der Gewaltenteilung, dass die Befugnisse unter dem neuen System effektiver sein würden.
Die Türkei müsse trotz Integration in die Weltgemeinschaft „national und unabhängig" bleiben, so der Präsident. Es sei unmöglich, die Freiheit einer Nation einzuschränken, die sich derart mutig dem Putschversuch von 2016 widersetzt habe.
Die Türkei strebe außerdem weiterhin die Mitgliedschaft in der Europäischen Union an.
Kurz gesagt - er gelobte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit im Land auch nach den Wahlen am 24. Juni weiterhin zu fördern.
Ehrlich gesagt, hatte ich auch erwartet, diese Aussagen zu hören. Die Türkei hat unter den AK-Partei-Regierungen große Fortschritte gemacht. Nun will die Partei Gerechtigkeit und Freiheit im Einklang mit den Forderungen der Gesellschaft und den Anforderungen an einen Rechtsstaat ausweiten. Zu diesem Zweck geht die Partei mit viel Engagement in die Wahlen.