Viele wichtige Industriestaaten auf der ganzen Welt, darunter auch Deutschland, einer der Gründervater der Europäischen Union, erleben politische und kommerzielle Spannungen mit den USA. Die von der US-Regierung geschaffenen Turbulenzen werden auch in der Türkei wahrgenommen.
Allein in den letzten fünf Jahren haben wir in der Türkei Dutzende Angriffe, einschließlich des Putschversuchs vom 15. Juli, erlebt. Diese Attacken werden von den USA entweder unterstützt oder ignoriert. Seltsamerweise haben auch viele EU-Länder diesen Prozess gestützt.
Dabei spielt die Tatsache, dass Donald Trump Präsident ist, keine zentrale Rolle. Die Vorgehensweise der USA ist genauso aggressiv wie in der Vergangenheit. Wäre Hillary Clinton gewählt worden, würden die USA wahrscheinlich eine noch härtere Politik gegen die Türkei fahren. Insbesondere in den letzten drei Jahren hat es die Türkei unter der Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geschafft, jegliche Angriffe zu überstehen und den Weg für eine neue Ära mit einer vielseitigen Außenpolitik zu ebnen. Erdoğans jüngster Besuch in Deutschland deutet darauf hin, dass nun eine neue Seite aufgeschlagen wurde.
Deutschland, die mächtigste europäische Industrienation, hat einräumen müssen, ohne die Türkei keine effektive Politik im Nahen Osten betreiben zu können. Deshalb kann die Bundesregierung mit einer kontinuierlichen Anti-Türkei-Politik nichts erreichen. Wichtiger ist jedoch der Punkt, dass Deutschland angesichts der politischen und wirtschaftlichen Verstimmungen mit den USA nun andere Verbündete mit einer starken politischen Linie braucht.
Genau das braucht die EU auch. Die EU als Anziehungspunkt mit ihren Idealen der "Demokratie, Menschenrechte und des universellen Rechts", welche in den vergangenen 50 Jahren als gemeinsame Werte der Menschheit akzeptiert wurden, könnte mit dem Aufstieg des Rassismus an Einfluss verlieren. Dies zeigt, dass sich sowohl Deutschland als auch die EU neu ausrichten müssen.
In der Tat muss die Türkei ähnliche Schritte unternehmen, um alte und neue Herausforderungen wie Stellvertreterkriege, Terrorismus, Wirtschaftskonflikte und Flüchtlingsproblematik bewältigen zu können. Sich muss sich weiterentwickeln. Erdoğan hat dies schon lange angedeutet. Die Bitte um "eine gerechte Welt" beim Treffen der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York am 18. Dezember dieses Jahres kann als Zeichen gedeutet werden, dass auch die Türkei nach einer neuen Ausrichtung und Ordnung strebt.
Die Türkei hat immer wieder gezeigt, dass sie für Erneuerungsvorschläge offen ist. Viele Probleme sind auf die Haltung der EU und Deutschlands zurückzuführen. Nebst den von den westlichen Medien gestützten negativen Wahrnehmung der Türkei, nahmen darüber hinaus einige EU-Länder Mitglieder der Gülenisten-Terrororganisation (FETÖ) auf, die für den blutigen Umsturzversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich ist.
Hier wird besonders Erdoğans Besuch in Deutschland einen Neuanfang in den gegenseitigen Beziehungen darstellen. Auch wenn sich die Atmosphäre in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Positiven verändert, scheint es in punkto Kampf gegen FETÖ und PKK Zeit zu brauchen. In diesem Bereich werden wir zunächst eine Veränderung des politischen Diskurses und vielleicht später einige Überraschungen beobachten. Der erste Schritt wurde getan, aber nötig ist ein neues Kapitel in dem Verhältnis zu Deutschland
Auch wenn es wie eine Illusion wirkt, würde sich der EU-Beitritt der Türkei als demokratisches, säkulares und muslimisches Land nicht nur positiv die Türkei selbst, sondern auch auf die EU und die türkisch-russischen Beziehungen auswirken. Wenn die Ereignisse in die andere Richtung gehen sollten, wird sich die EU zum Schlechteren wenden. Die Türkei würde aber weiterhin ihren Ansatz einer vielfältigen Politik fortsetzen.