Die Ehe ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Sie ist eine Institution, die einige ernsthafte religiöse Aspekte in sich birgt. Aus diesem Grund finden in fast jeder Religion Hochzeitszeremonien in Gegenwart eines Geistlichen statt.
Als die Religion in der Gemeinde allmählich an Boden verlor, blühten die „bürgerliche Ehen", die ein Produkt der Französischen Revolution darstellen. Es war vor allem für diejenigen gedacht, die nicht in Anwesenheit eines Geistlichen heiraten wollten.
In seinem Roman „Terre Promise" beschreibt der französische Schriftsteller André Maurois eine bürgerliche Hochzeit als „eine formlose, ereignislose Formalität: Es ist, als würde man einen Mietvertrag unterschreiben oder einen Pass erhalten (...)"
Die Ehe: Eine heilige Zeremonie
Im Islam ist es nicht unbedingt notwendig, dass Eheschließungen von einem Geistlichen durchgeführt werden. Tatsächlich ist sogar eine Hochzeitszeremonie nicht notwendig. Wenn ein Mann und eine Frau sich gegenseitig akzeptieren und sagen: „Ich bin mit dieser Person verheiratet", in Gegenwart von zwei Zeugen, gilt ihre Ehe als gültig.
Da die Ehe aber auch im Islam als Gottesdienst gilt, wurde sie seit der Zeit des Propheten Mohammed immer von einer dritten Person geleitet. Die Menschen wurden gebeten, in Anwesenheit einer würdigen Person, die ein tiefes Verständnis für religiöse und rechtliche Bestimmungen hat, zu heiraten. Aus diesem Grund haben Imame traditionell die Rolle eines Eheschließers in der islamischen Gesellschaft gespielt, die Hochzeiten als heilige Zeremonien betrachtete.
Der Prophet Muhammad und die vier Kalifen sollen auch Eheschließungen durchgeführt haben. Im Laufe der Zeit, als die Befugnisse der Kalifen zunahmen, wurden Beamte, sogenannte „Aqqad" aus dem Klerus oder von den Imamen in der Umgebung ernannt.
Ehesteuer
Aufgrund der zahlreichen rechtlichen Konsequenzen von Hochzeiten wie Verwandtschaft, Alimente, Bruderschaft, Iddah (die Wartezeit nach der Auflösung einer Ehe im Islam) und der Erbschaft wurde sie unter Aufsicht offizieller Behörden gestellt, um so böswillige Absichten zu verhindern.
Schon seit Anbeginn der islamischen Geschichte wurden Geburten, Tode und Ehen registriert. Die Registrierung stützte sich auf die Ausgaben der Staatskassen. Unter den Seldschuken, Mamelucken und Osmanen war für die Heirat eine schriftliche Erlaubnis vom Kadi (einem muslimischen Richter) notwendig, zudem wurde eine festgesetzte Gebühr erhoben.
Nach Erhalt der schriftlichen Erlaubnis, die nach Überprüfung eventueller Hindernisse für die Eheschließung der Parteien, des Imams der jeweiligen Nachbarschaft, des Dorfes - des Priesters oder des Rabbiners, im Falle von nichtmuslimischen Gemeinschaften erfolgte - leitete er die Ehe.
Es war nicht üblich, dass die Parteien während der Ehe anwesend waren. Beide Seiten wurden von Eltern oder Bevollmächtigten vertreten. Der Geistliche, der die Hochzeit vollzog, erhielt die von den Parteien und Zeugen unterschriebene offizielle Urkunde, versiegelte sie und schickte sie dann an das Meldeamt, womit die Ehe offiziell registriert wurde.
Am Tag der Hochzeit rezitierte der Imam in Anwesenheit von zwei Zeugen die erforderlichen Koranverse und las auch aus der Hadith-Sammlung entsprechende Stellen. Nach einer Predigt bat er zuerst um die Zustimmung der Frau und dann des Mannes. Nachdem er eine positive Antwort erhalten hatte, erklärte er das Paar rechtmäßig für verheiratet und betete für eine glückliche und fruchtbare eheliche Beziehung.
Säkulare Ehen
1926 wurde das islamische Recht in der Türkei abgeschafft und das Schweizerische Zivilgesetzbuch, das in Übereinstimmung mit dem Gesetz der katholischen Kirche entstanden war, in der neu gegründeten Türkischen Republik angenommen. Dadurch wurde die Durchführung von religiösen Ehen ohne die Anwesenheit eines kommunalen Beamten zu einer strafbaren Handlung. Es war sogar in der aktuellen Verfassung als ein „Gesetz der Revolution" enthalten.
Die Tradition der religiösen Ehen blieb in der Öffentlichkeit jedoch weiterhin lebendig. Weil diese Art der Ehe jedoch nicht offiziell akzeptiert wurde, mussten viele Menschen eine ungerechte Behandlung ertragen. Eine so verheiratete Frau galt als Geliebte und ihr Kind wurde vom Staat als unehelich betrachtet.
In der Tat wurden viele Männer und Frauen deswegen angeklagt und aufgrund dieser Praxis ins Gefängnis gesteckt. Die Kriminalisierung religiöser Ehen wurde erst vor kurzem abgeschafft.
Der verstorbene Ahmed Davudoğlu Hodja, ein bulgarischer Türke, der viele Jahre als Direktor des Islamischen Instituts in Istanbul arbeitete, war sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er bei einem Seminar in den 1970ern sagte: „Die Zivilehe kann nicht an die Stelle einer religiösen Ehe treten." Bevor er die Haft antrat sagte er: „Ich habe solch Grausamkeit nicht einmal in Bulgarien gesehen."
Religion oder Zivilgesetzbuch
Im Islam müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit eine Ehe Geltung gewinnt ist. Dem Türkischen Zivilgesetzbuch (TMK) zufolge können Milchgeschwister heiraten.
Gemäß islamischen Gesetzen kann ein Muslim eine muslimische, jüdische oder christliche Frau heiraten, aber er keine Atheisten - während eine muslimische Frau dagegen nur einen muslimischen Mann heiraten kann. Das TMK hingegen setzt keine religiös begründete Einschränkung.
Der Islam sieht es als zwingend an, dass der Ehevertrag bereits in der Vergangenheit verfasst wird, was bei zivilen Ehen nicht der Fall ist. Der Prior erfordert während der Zeremonie auch die Anwesenheit von zwei männlichen oder einem weiblichen und einem männlichen muslimischen Zeugen. Laut des TMK sind die Religion und das Geschlecht der beiden Zeugen jedoch nicht wichtig.
Unter islamischen Praktiken kann die Ehe durch eine Vollmacht oder einen Brief durchgeführt werden, beim TMK ist dies nicht der Fall. Im Islam ist es unumgänglich, dass das Elternteil der Frau an der Zeremonie teilnimmt oder die Erlaubnis erteilt – im TMK ist dies ebenso nicht vorgeschrieben.
Im Islam ist der Bräutigam verpflichtet, der Braut eine beträchtliche Summe zu zahlen. Dies ist nicht die Bedingung der Ehe, sondern eine Konsequenz. Es ist das Recht der Braut. Diese Forderung kann jedoch nicht in einer Zivilehe durchgesetzt werden. Es wird angestrebt, dass der Mann in einer islamischen Ehe wirtschaftlich, sozial und religiös der Frau gleichgestellt ist. Laut TMK ist dies nicht erforderlich.
„Ich kann diese Ehe nicht ausführen"
Als eine berühmte türkische Sängerin vor einem Jahr mit einem jüdischen Geschäftsmann verheiratet wurde, war auch ein Imam für eine religiöse Trauzeremonie gerufen worden. Als er jedoch von der Religion des Bräutigams erfuhr, akzeptierte der Imam die Ehe nicht und verließ die Zeremonie.
Auch Gemäß dem kirchlichen Gesetz kann ein Priester nicht die Ehe derjenigen segnen, die aus religiöser Sicht nicht verheiratet sein dürfen.
In der Türkei sind Bürgermeister und Standesbeamte berechtigt, Eheschließungen einzurichten. Eine Gesetzesvorlage, die am 25. Juli dem Parlament vorgelegt und gestern verabschiedet wurde, gewährt dieses Recht nun auch den lokalen Muftis in den Provinzen. Die Regierung verteidigt das neue Gesetz mit der Begründung, dass es die Verfahren bei der Eheschließung erleichtern wird.
Die Hauptoppositionspartei und eine Reihe von Frauenvereinigungen argumentieren jedoch, dass die neue Verordnung den Weg für die Eheschließung von Kindern ebnen wird, obwohl das gesetzliche Alter der Ehe, das nach türkischem Recht auf 17 Jahre festgelegt ist, dadurch nicht geändert wird.
In einem modernen Staat ist es jedoch ein grundlegendes Recht, dass Menschen, die heiraten wollen, in der Lage sein sollten, zu einem Geistlichen zu gehen und nach ihren eigenen religiösen Überzeugungen zu heiraten. Der Staat sollte dies wiederum offiziell akzeptieren. Auf der anderen Seite sollten Paare, die in Anwesenheit eines städtischen Beamten heiraten möchten, dies ebenso tun können.
So wird die Ehe in allen zivilisierten Ländern praktiziert. Dieses System wird im benachbarten Griechenland und sogar in Israel angewendet. Es ist ein fortschrittlicher und angemessener Schritt, den Geistlichen in der Türkei die Befugnis zu geben, Ehen nach den religiösen Überzeugungen der Parteien durchführen zu können, und nicht nach dem türkischen Zivilgesetzbuch.