Mehr als 28.000 Pflanzenarten weltweit haben laut einer umfangreichen Untersuchung Heilkraft - allerdings wird nur ein Bruchteil von ihnen in der Schulmedizin genutzt. Dabei hätten Heilpflanzen ein "riesiges Potential" bei der Bekämpfung von Krankheiten wie Diabetes und Malaria, erklärte das britische Zentrum für botanische Forschung, Kew Gardens, am Donnerstag in London. Die Bestandsaufnahme der renommierten Forschungseinrichtung befasst sich auch mit Gefahren für die weltweite Vegetation.
Insgesamt 28.187 Pflanzenarten auf der Erde hätten medizinischen Nutzen, heißt es in dem Bericht "State of the World's Plants" (Zustand der Pflanzen der Erde). Dabei handele es sich wahrscheinlich um eine "sehr konservative Zahl", heißt es in der Bestandsaufnahme, die 128 Wissenschaftler aus zwölf Ländern im Auftrag der Royal Botanic Gardens von Kew erstellten.
Die Zahl der erfassten Heilpflanzen sei damit im Vergleich zum Vorjahresbericht um 59 Prozent gestiegen, hieß es weiter. Allerdings finden der Untersuchung zufolge nur 16 Prozent der Heilpflanzen in anerkannten medizinischen Publikationen Erwähnung.
Dabei hätten Heilpflanzen ein "riesiges Potential" bei der Bekämpfung von häufigen und schweren Krankheiten, sagte die stellvertretende Wissenschaftsdirektorin von Kew Gardens, Monique Simmonds, der Nachrichtenagentur AFP. So zählen laut dem Bericht die beiden Pflanzenstoffe Artemisinin und Chinin "zu den wichtigsten Waffen" gegen die Infektionskrankheit Malaria, an der 2015 mehr als 400.000 Menschen starben.
Die Bestandsaufnahme führt auch rund 1.730 Neuentdeckungen seit dem Vorjahr auf. Dazu zählen neun Arten einer Kletterpflanze namens Mucuna, die bei der Behandlung von Parkinson eingesetzt werden.
Außerdem wurden fünf neue Arten von Manihot, einer Maniok-Variante, in Brasilien entdeckt. Die neuen Arten könnten die Maniok-Ernten verbessern und stellten eine "Nahrung der Zukunft" dar, erklärten die Studienautoren.
Um die Zerstörung von Vegetation nachzuvollziehen, werteten die Studienautoren Satellitenbilder aus. Dabei habe sich gezeigt, dass seit Beginn dieses Jahrtausends jedes Jahr im Schnitt 340 Millionen Hektar Vegetation verbrennt. Das entspreche in etwa der Fläche Indiens, sagte Mitautorin Sarah Wyse. Allerdings gebe es auch Pflanzenbestände, die für ihre Regeneration auf Brände angewiesen seien.
Angesichts der Globalisierung riefen die Studienautoren zu strengeren Maßnahmen zum Schutz der jeweils heimischen Pflanzen auf. Der Welthandel und der internationale Reiseverkehr begünstigten die Ausbreitung verschiedener Heuschrecken und Raupen, die auch die Landwirtschaft massiv gefährdeten. Wenn die Ausbreitung von Parasiten und Krankheitserregern nicht gestoppt werde, könnten die Schäden in der weltweiten Landwirtschaft auf 540 Milliarden Dollar (492 Milliarden Euro) im Jahr ansteigen, warnt der Bericht.
Die Kew Gardens befinden sich im Westen von London und haben von der Unesco den Welterbe-Status zuerkannt bekommen. Sie beherbergen eine der bedeutendsten Pflanzensammlungen der Welt. Ihre Bestandsaufnahme der weltweiten Pflanzenwelt ist für Wissenschaftler eine wichtige Quelle. Die Wissenschaftsdirektorin von Kew Gardens, Kathy Willis, erklärte zu dem diesjährigen Bericht, hoffentlich würden die Erkenntnisse "uns in die Lage versetzten, eine weltweite Debatte darüber zu führen, was wir zum Schutz und zum Erhalt (von Pflanzen) brauchen".