Die türkische Zentralbank hat den Leitzins nach dem Austausch ihres Gouverneurs überraschend stark gesenkt.
Die Währungshüter reduzierten den Leitzins am Donnerstag um 4,25 Prozentpunkte auf 19,75 Prozent, wie die Zentralbank mitteilte. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am 6. Juli den bisherigen Zentralbankchef Murat Çetinkaya per Dekret entlassen, weil er eine Senkung des Leitzinses abgelehnt hatte.
Çetinkaya wurde durch seinen früheren Stellvertreter Murat Uysal ersetzt. Unter Uysals Vorsitz entschied die Zentralbank nun, die Leitzinsen überraschend deutlich zu senken. Die meisten Ökonomen waren nach dem Wechsel an der Spitze der Zentralbank zwar von einer Zinssenkung ausgegangen, hatten aber meist eine Senkung um 2,0 bis 3,0 Prozentpunkte erwartet.
Zur Begründung ihrer Entscheidung erklärten die Währungshüter, dass die jüngsten Wirtschaftsdaten "eine moderate Belebung der Wirtschaftsaktivitäten anzeigen". Sie verwiesen insbesondere auf die hohen Einnahmen im Tourismussektor und einen positiven Trend bei der Inflation. Nach einem Hoch von 25 Prozent im Oktober 2018 ist die Inflation auf 15,72 Prozent im Juni zurückgegangen.
Die Finanzmärkte reagierten verhalten auf die Entscheidung der Zentralbank. Kurz nach Verkündung der Zinssenkung am Donnerstagmittag notierte die türkische Lira weitgehend unverändert bei 5,68 zum Dollar. Seit Jahresbeginn verlor die türkische Währung rund 7,5 Prozent ihres Werts zum Dollar, nachdem sie im Vorjahr bereits 30 Prozent eingebüßt hatte. Die Lira war im August 2018 inmitten eines Streits mit den USA um die Inhaftierung eines US-Pastors dramatisch eingebrochen.
Zwar erreichte die Inflation im Herbst einen Rekordwert, doch stabilisierte sich die Lira in der Folge der Zinserhöhung. Die Zentralbank hielt den Leitzins zuvor unverändert bei 24 Prozent. Erdoğan hat Zinsen wiederholt als "Instrumente der Ausbeutung" und als "Mutter und Vater allen Übels" bezeichnet. Er vertritt entgegen vieler Ökonomen die Theorie, dass niedrige Zinsen zur Senkung der Inflation führen.