Das nächste Urteil zu Fahrverboten für ältere Diesel nun auch in Mainz setzt Politik und Autobranche weiter unter Druck. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt muss in einem neuen Luftreinhalteplan auch Verbote vorbereiten.
Sie sollen spätestens zum 1. September 2019 kommen - aber nur, wenn der Grenzwert der Luftverschmutzung im ersten Halbjahr nicht eingehalten wird. Das entschied das Verwaltungsgericht in Mainz am Mittwoch. Unabhängig davon will die Bundesregierung Tempo bei den Voraussetzungen für umstrittene Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel machen. Sie hat aber nach wie vor keine grundlegende Zusagen der Autohersteller.
Konkret verlangt das Gericht von der Stadt Mainz, dass zum 1. April 2019 ein neuer Luftreinhalteplan wirksam wird. Dieser müsse auch «ein Konzept für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge» beinhalten. Sollten andere Anstrengungen nicht reichen, den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft im Mittel der ersten sechs Monate 2019 einzuhalten, müssten zum 1. September 2019 weitere Maßnahmen angeordnet werden, auch Fahrverbote - unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit. Ob für einzelne Straßen oder eine Zone, ließ das Gericht offen.
Die Deutsche Umwelthilfe, die auch in diesem Fall geklagt hatte, zeigte sich zufrieden. Geschäftsführer Jürgen Resch sagte, er hoffe, dass das Urteil ein Weckruf für langjährig untätige Politiker sei - und kurz vor der Landtagswahl in Hessen an diesem Sonntag auch ein Signal an die Bundesregierung.
Gerichte hatten schon für Stuttgart, Frankfurt am Main und Berlin Fahrverbote für ältere Diesel für 2019 angeordnet. In Hamburg sind bereits zwei Straßenabschnitte gesperrt. Laut Bundesverwaltungsgericht sind Fahrverbote zulässig, müssen aber verhältnismäßig sein. Zu hohe NO2-Belastung kann Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen oder verschlimmern.
Für den Deutschen Städtetag zeigt das Urteil, dass die Kommunen in einer Zwickmühle sind. Sie rüsteten Busse um, bauten den Nahverkehr aus, das reiche aber nicht. «Denn der Schlüssel für durchgreifende Erfolge im Kampf für saubere Luft liegt bei der Autoindustrie», sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einer «guten Nachricht für viele Menschen in Mainz». Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dürfte nun nicht länger zusehen, wie Gerichte einen juristischen Flickenteppich webten.
Das Bundeskabinett beschloss einen konkreten Plan für die Umsetzung umstrittener Abgas-Umbauten an Motoren älterer Diesel in besonders belasteten Städten. Das Verkehrsministerium erarbeite «unverzüglich die rechtlichen und technischen Vorschriften für den Einsatz von Nachrüstungen». Diese Maßnahmen, die Ausnahmen von Fahrverboten ermöglichen sollen, sollten «schnellstmöglich zu Beginn des Jahres 2019 in Kraft gesetzt werden».
Die SPD sieht damit Minister Scheuer am Zug. Dieser könne nun «nicht mehr auf Zeit spielen und die Umsetzung der Beschlüsse aus dem Koalitionsausschuss zur technischen Nachrüstung verschleppen», sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol.
Ausdrücklich bekräftigte das Kabinett, dass die Autobauer die Kosten von Hardware-Nachrüstungen übernehmen sollen. Die Regierung sei in «intensiven Verhandlungen» mit der Industrie, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Bisher lehnen es die Hersteller ab, Nachrüstungen komplett zu bezahlen. Die Bundesregierung will zudem gesetzlich klarstellen, dass Fahrverbote «aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur in Gebieten in Betracht kommen», in denen im Jahresmittel mehr als 50 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft gemessen werden.
Nach aktuellem Stand wären 15 Städte betroffen. Für Autobesitzer in diesen Kommunen und Pendler aus dem Umland hat die Koalition Anfang Oktober ein Paket mit neuen Maßnahmen geschnürt, das Fahrverbote vermeiden soll. Es umfasst neben Hardware-Nachrüstungen auch Extra-Rabatte der Hersteller für den Kauf saubererer Fahrzeuge.
Ob Mainz Berufung gegen das Urteil einlegt, will die Stadt erst noch prüfen. Oberbürgermeister Michael Ebling sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Gericht habe die Anstrengungen der Stadt gewürdigt: «Es hat uns ganz klar einen Puffer gegeben.» Ein flächendeckendes Fahrverbot zähle er auf jeden Fall nicht zu den verhältnismäßigen Maßnahmen, die ab September 2019 möglicherweise zu ergreifen wären. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte Antworten aus Berlin zur Verringerung der Schadstoffbelastung in den Städten. Dies sei «nicht allein von Kommunen und Land zu stemmen».