Die Nationale Armutskonferenz hat die Bundesregierung zur aktiven Bekämpfung von Armut aufgerufen. Vor allem mit Blick auf die Erwerbsarmut gebe es "enormen Handlungsbedarf", erklärte die Sprecherin der Armutskonferenz, Barbara Eschen, am Mittwoch anlässlich der Vorstellung des dritten Schattenberichts zur Armut in Deutschland. Obwohl Wirtschaft und Arbeitsmarkt boomten, sei für viele Menschen in Beschäftigung Armut "bittere Realität".
Dem Schattenbericht zufolge verdoppelte sich in Deutschland die Erwerbsarmut in den vergangenen zehn Jahren. Demnach stieg zwischen 2004 und 2014 der Anteil der "working poor" an allen Erwerbstätigen auf 9,6 Prozent. "Prekäre Beschäftigung schafft Unsicherheit, führt in Altersarmut und behindert die Lebensplanung", erklärte Eschen in Berlin.
Besonders problematisch sind laut Nationaler Armutskonferenz die Minijobs, die derzeit rund 7,5 Millionen Menschen verrichten. Diese ermöglichten in der Regel keinen Einstieg in gute Arbeit, sondern seien "berufliche Sackgassen mit mangelnden Perspektiven, niedrigen Einkommen und oftmals schlechten Arbeitsbedingungen", kritisierte Erika Biehn von dem Bündnis. Insbesondere Frauen seien hiervon betroffen. Die Bundesregierung müsse sich daher "für gute Arbeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung" einsetzen, statt "Arbeit um jeden Preis" zur Devise zu machen.
Weiter forderte die Nationale Armutskonferenz am internationalen Tag zur Beseitigung der Armut eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus sowie die "realistische Ermittlung angemessener Wohnkosten" in der Grundsicherung. Zudem kritisierte Eschen Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger. Es sei "äußerst fraglich", ob Sanktionen ein geeignetes Mittel seien, um Menschen "fit für den Arbeitsmarkt" zu machen.
Eschen forderte einen Verzicht auf Sanktionen und Druck in der Beschäftigungspolitik. Vielmehr müssten die Motivation und Selbstbestimmung der Menschen unterstützt werden. Notwendig seinen zudem höhere Regelsätze in der Grundsicherung und eine weitere Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns.
"Armut in Deutschland hat eine menschenrechtliche Dimension", hob Eschen hervor. Sie zu bekämpfen sei "keine Wohltätigkeit, sondern eine Verpflichtung".
Die Nationale Armutskonferenz ist ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen. Dazu gehören unter anderen die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, die Diakonie Deutschland und der Paritätische Gesamtverband.
Der Sozialverband VdK nannte Kinderarmut, Einkommensarmut und Altersarmut in einem reichen Land wie Deutschland "skandalös". VdK-Präsidentin Verena Bentele forderte die Bundesregierung auf, Armut zu bekämpfen, "indem man prekäre Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, Befristungen und Leiharbeit eindämmt".