Nach den jüngsten Gefechten in der syrischen Oppositionsbastion Idlib wollen sich die Türkei und Russland für eine Deeskalation einsetzen.
Sie hätten „zusätzliche gemeinsame Schritte" vereinbart, um die Situation in Idlib zu „normalisieren", sagte der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan. Dieser forderte den Stopp der Angriffe der syrischen Regimetruppen.
„Vergangenes Jahr haben wir mit Herrn Putin zu einer sehr kritischen Zeit einen Schritt getätigt, mit dem wir einer humanitären Krise in Idlib zuvorgekommen sind. Jedoch bedrohen die Regime-Angriffe seit Mai den Frieden in der Region", beklagte Erdoğan. Mehr als 500 Zivilisten seien während der Angriffe getötet und über 1.200 verletzt worden. Hunderttausende müssten nun ihre Häuser verlassen.
„Es ist inakzeptabel, dass das Regime unter dem Vorwand des Kampfs gegen den Terror Zivilisten am Boden und aus der Luft tötet", sagte Erdoğan. Millionen Syrer drohe eine „neue humanitäre Katastrophe" in Idlib, und viele bewegten sich auf die türkische Grenze zu. „Wir können unsere Verantwortung unter dem Sotschi-Abkommen nur erfüllen, wenn das Regime seine Angriffe stoppt."
Erdoğan und Putin hatten im vergangenen September im südrussischen Sotschi eine Waffenruhe zwischen der Opposition und den Regimetruppen in Idlib vereinbart. Durch das Abkommen wurde eine damals drohende Offensive von Machthaber Baschar al-Assad abgewendet, doch wurde die Vereinbarung nie komplett umgesetzt.
Seit Ende April gehen die Assad-Truppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe wieder verstärkt gegen Oppositionelle vor. Moskau rechtfertigt die Offensive mit dem Kampf gegen „Terrorgruppen". Die Regierung in Ankara befürchtet dagegen eine neue Fluchtwelle in die Türkei.
Die Offensive hat auch die türkische Armee zwischen die Fronten gebracht. Einer ihrer Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe in Idlib wurde kürzlich von der syrischen Regime-Armee eingekreist. Ankara hat aber ausgeschlossen, die Soldaten abzuziehen. Die Türkei werde „alle nötigen Maßnahmen ergreifen", um ihre Soldaten zu schützen, sagte Erdoğan in Moskau.
Putin begrüßte bei dem Treffen mit Erdoğan die Vereinbarung der Türkei mit den USA zur Einrichtung einer Pufferzone in Nordsyrien. Die Schaffung einer Sicherheitszone entlang der türkischen Grenze sei ein „positiver Schritt" für den Schutz der territorialen Integrität Syriens, sagte Putin. „Wir wissen sehr gut, dass die Flüchtlinge für die Türkei eine enorme Belastung darstellen." Russland verstehe die Sorgen der Türkei. Für die Sicherheit ihrer Grenze zu sorgen, sei ihr „legitimes Recht".
Das Treffen von Erdoğan und Putin fand am Rande der Luftfahrtmesse MAKS-2019 bei Moskau statt. Erdoğan bekräftigte, die Türkei wolle ihre Kooperation mit Russland in der Rüstungsindustrie fortsetzen. Während seines Besuchs landete eine russische Transportmaschine in Ankara mit weiteren Teilen des russischen Luftabwehrsystems S-400, das die Türkei kürzlich trotz der Kritik ihrer Nato-Partner gekauft hatte.
Das Treffen zwischen den beiden Staatsführern ereignete sich im Vorfeld eines Syrien-Gipfels am 16. September in Ankara. Dort werden Russland, die Türkei und der Iran als wichtigste Akteure im Syrien-Konflikt zusammenkommen.