Italiens Unterhaus hat am Mittwoch einen Antrag angenommen, worin die Regierung aufgefordert wird, die Armenier-Tragödie von 1915 als Völkermord einzustufen.
Der Antrag erhielt parteiübergreifende Unterstützung und wurde mit 382 Stimmen und 43 Enthaltungen der Forza Italia angenommen – keiner der Abgeordneten stimmte dagegen. Bei der Forza Italia handelt es sich ums eine konservative Oppositionspartei des Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
Die Regierung - die sich weder für noch gegen den Antrag äußerte - kann der Forderung des Parlaments nachgehen, hat jedoch keine rechtliche Verpflichtung dazu.
Der Antrag wurde in Anschluss an die Abstimmung durch den türkischen Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun gerügt. „Wir verurteilen den jüngsten Versuch des italienischen Parlaments die Geschichte unseres Landes zu verzerren und zu politisieren aufs Schärfste", so Altun in seinem Tweet am Mittwoch.
„Anstatt die Erinnerungen des anderen anzugreifen, müssen wir alle zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Wahrheit über die Annahme herrscht."
Auch die regierende AK-Partei verurteilte den Antrag des italischen Parlaments. In einem Gespräch mit Reportern sagte AK-Partei-Sprecher Ömer Çelik, dass Italien von der armenischen Diaspora in die Irre geführt werde. Diese wolle keine normalen Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien, sondern verfolge eigene politische Interessen.
Bereits am Montag hatte die Türkei angesichts der angekündigten Abstimmung den italienischen Botschafter in Ankara einbestellt und eine Klarstellung verlangt.
Die Tragödie, um die es bei der Abstimmung ging, reicht zurück ins Osmanische Reich. Viele osmanische Armenier in Ostanatolien kamen während des Ersten Weltkrieges um, nachdem das „Komitee für Einheit und Fortschritt" die Entscheidung getroffen hatte, die armenische Minderheit in das heutige Syrien zu deportieren. Schlechte Bedingungen, Krankheiten und Angriffe von irregulären Einheiten verursachten zahlreiche Todesopfer. Der Armenier-Deportierung war eine Revolte von armenischen Freischärlern vorausgegangen, die von den Russen unterstützt, den türkischen Streitkräften in den Rücken gefallen waren. Diese verübten zudem zahlreiche Massaker in mehrheitlich von Türken bewohnten Dörfern.
Ankara räumt zwar ein, dass es auf beiden Seiten viele Opfer gab und bezeichnet die Ereignisse von 1915 als Tragödie - ohne jedoch die Anschuldigung eines Völkermordes zu akzeptieren. Die armenische Diaspora in Europa und den USA hingegen versuchen den Genozid-Vorwurf weltweit geltend zu machen und die Vorfälle für die eigenen Interessen politisch zu instrumentalisieren
Ankara hat wiederholt die Schaffung einer gemeinsamen Kommission von Historikern aus der Türkei und Armenien sowie internationalen Experten vorgeschlagen, um das Problem anzugehen – bislang ohne Erfolg.