Nachdem die türkische Polizei ihre Vermutung geäußert hatte, dass der verschwundene saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi im Konsulat seines Landes in Istanbul ermordet wurde, äußerten sich nun auch Freunde und Präsident Erdoğan zu den Geschehnissen. Der Verdacht eines brutalen Mordes verhärtet sich immer mehr. Ersten Erkenntnissen zufolge sei dafür eigens ein saudi-arabisches Kommando in die Türkei gereist, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Samstag aus türkischen Regierungskreisen. Saudi-Arabien wies die Vorwürfe zurück.
Der regierungskritische Journalist wird seit einem Besuch in dem Konsulat am Dienstag vermisst. Laut seiner Verlobten und der türkischen Polizei hat Khashoggi das Gebäude nicht wieder verlassen.
Am Samstag erklärte die Polizei, am Tag seines Besuchs seien 15 Saudi-Araber an Bord von zwei Flugzeugen nach Istanbul geflogen und hätten das Land nach einem Besuch im Konsulat wieder verlassen. Darunter seien auch zwei Staatsbeamte gewesen.
Ein Vertreter des Konsulats wies die „grundlosen Vorwürfe" gegenüber der saudi-arabischen Nachrichtenagentur SPA strikt zurück. Demnach hält sich ein Team von saudi-arabischen Ermittlern in der Türkei auf, um die türkischen Behörden zu unterstützen. Zuvor hatte Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman der Nachrichtenagentur Bloomberg gesagt, seiner Kenntnis nach habe Khashoggi das Konsulat nach kurzer Zeit wieder verlassen.
Kronprinz bin Salman lud die türkischen Behörden ein, das Konsulat zu durchsuchen. „Wir haben nichts zu verbergen", sagte er. Der mächtige Kronprinz hat in dem erzkonservativen Königreich weitreichende ökonomische und gesellschaftliche Reformen eingeleitet, zugleich aber die Repressionen gegen Kritiker verschärft. Khashoggi war daher im September 2017 aus Angst vor einer Festnahme in die USA geflohen.
Erdoğan äußerte sich das erste Mal am Sonntag zum Verschwinden Khashoggis. Er bezeichnete Khashoggi als einen Journalisten und „Freund", den er seit langem kenne. „Ich verfolge die Angelegenheit, und wie auch immer das Ergebnis (der Ermittlungen) ausfällt, werden wir es der Welt mitteilen", sagte Erdoğan vor Journalisten. „Wir hoffen, sehr bald die Ergebnisse zu haben."
Er sei noch voller Hoffnung, dass nicht das Schlimmste passiert sei. Die Polizei werte derzeit die Aufnahmen von Überwachungskameras am Konsulat und am Istanbuler Flughafen aus.
Seine türkische Verlobte Hatice Cengiz schrieb im Kurzmitteilungsdienst Twitter, sie glaube erst, dass Khashoggi tot sei, wenn sie eine Bestätigung der türkischen Behörden habe. Der 59-Jährige, der einst als Berater für ehemalige saudi-arabische Regierungsbeamte agierte, war am Dienstag in das Konsulat gegangen, um Papiere für die Heirat mit Cengiz zu holen. Er sagte ihr, sie solle die Behörden alarmieren, wenn er nicht zurückkehre. Er habe Angst um sein Leben gehabt. Sie wartete vor dem Gebäude; da ihr Verlobter nicht wieder herauskam, informierte sie die Medien.
„Er hatte einen Termin im Konsulat, daher wussten sie, wann er da sein würde", sagte Yasin Aktay, ein türkischer Vertrauter Khashoggis gegenüber der Deutschen Presseagentur. Demnach vergewisserte sich Khashoggi vor seinem Besuch, ob die Papiere auch tatsächlich bereit seien. „Seine Freunde haben ihn gewarnt, dass es nicht sicher sei. Er sagte jedoch, in der Türkei könne ihm nichts passieren." Sein Gefühl sage ihm jedoch, dass er getötet worden sei. Die Saudis hätten seinen Körper vermutlich längst entsorgt, daher dürfe man den kooperativen Aussagen kein Vertrauen schenken.
Der saudische Konsul in Istanbul, Mohammad al-Otaibi, sagte gegenüber Reuters am Samstag, dass die Sicherheitskameras des Konsulats nur einen Livestream zeigten und keine Aufnahmen machten, daher könne man keine Beweise für Khashoggis Verlassen des Konsulats liefern.
Der türkische Journalist und ein enger Freund von Khashoggi, Turan Kışlakçı, sagte am Samstag gegenüber Journalisten in Istanbul, dass ihm Ermittlerkreise bestätigt hätten, dass Khashoggi getötet worden sei. Auch die Behauptung, dass sein Körper in Stücke zerhackt, und danach heimlich aus dem Konsulat befördert wurde, sei zum Teil bestätigt worden.
Khashoggi ist ein Veteran des Journalismus in Saudi-Arabien, doch eckte er wegen kritischer Artikel bei der Führung immer wieder an. Nachdem er vergangenes Jahr in die USA ins Exil gegangen war, schrieb er Meinungsbeiträge für die „Washington Post" und den britischen „Guardian". In seinen Artikeln kritisierte er immer wieder die Politik von Kronprinz Mohammed und die saudi-arabische Militärintervention im Jemen.
Ebenfalls für Missfallen sorgte bei der Führung in Riad, dass Khashoggi die Muslimbruderschaft verteidigte. Die Bewegung wird von dem wahhabitischen Königreich als Bedrohung gesehen, von der Türkei dagegen unterstützt. Auch in anderen Konflikten stehen Ankara und Riad auf verschiedenen Seiten, doch trotz der Differenzen ist die Türkei um ein gutes Verhältnis zu Saudi-Arabien bemüht.