Deutschland sollte sich nach Ansicht von Außenminister Heiko Maas bei der Entscheidung über ein Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg nicht unter Zugzwang setzen lassen.
«Wir treffen eine autonome Entscheidung, die wir entlang unserer verfassungsrechtlichen Grundlagen treffen müssen, die in Deutschland gelten - und natürlich auch entlang des Völkerrechts», sagte Maas in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Nach seinen Angaben gibt es noch keine konkrete Anfrage der USA zu einer deutschen Beteiligung an einem Vergeltungsschlag nach einem möglichen Giftgasangriff in Syrien.
«Eine konkrete Anfrage kann es ja erst geben, wenn Giftgas eingesetzt wurde und wenn es die Entscheidung anderer Staaten gibt, darauf militärisch zu reagieren», sagte er. «Bis dahin geht es in der aktuellen Lage darum, in politischen Gesprächen ein humanitäres Desaster zu verhindern. Daran arbeiten wir.»
Ein Bericht der «Bild»-Zeitung, nach dem das Verteidigungsministerium eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag prüft, hatte am Montag eine heftige innenpolitische Debatte ausgelöst. SPD-Chefin Andrea Nahles schließt den Einsatz der Bundeswehr kategorisch aus, die Union will die Option dagegen nicht vom Tisch nehmen. «Wir werden uns eng mit den Fraktionen im Bundestag abstimmen. Letztlich geht es gar nicht ohne den Bundestag», sagte Maas zu der innenpolitischen Debatte.
Unklar ist, ob eine Bundeswehr-Beteiligung rechtlich möglich wäre. Nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags würde sie gegen das Grundgesetz und gegen das Völkerrecht verstoßen.
Maas betonte die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit den Bündnispartnern beim weiteren Vorgehen in Syrien. «Auch wenn letztendlich jeder für sich autonom entscheiden muss: Wir werden uns mit unseren Partnern eng abstimmen und erwarten das auch umgekehrt», sagte er. Nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz im April hatten die USA, Großbritannien und Frankreich ohne deutsche Beteiligung mit Bombardements von Stellungen syrischer Regimetruppen von Baschar al-Assad reagiert. Damals war die Bundesregierung nicht um Beteiligung gebeten worden.
Jetzt scheint es aber ein Interesse der Amerikaner daran zu geben, dass die Deutschen dabei sind. Die militärische Zurückhaltung der Bundesrepublik kommt in den Vereinigten Staaten schon seit längerer Zeit nicht gut an. US-Präsident Donald Trump ist zudem wegen der vergleichsweise geringen Militärausgaben Deutschlands verärgert.
Maas warnte davor, beides zu vermischen. «Schon gar nicht in einer so sensiblen Frage», sagte er. «Deutschland tut als einer der größten humanitären Geber, was möglich ist, um Not und Leid zu lindern. Wir stehen grundsätzlich auch bereit, unsere humanitäre Hilfe auszuweiten», betonte er.
Aus Sicht des Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sollte eine Beteiligung der Bundeswehr an einem militärischen Vergeltungsschlag in Syrien nicht ausgeschlossen werden. «Wer jetzt kategorisch und vorauseilend jede militärische Option von vornherein ausschließen und bei drohenden Massakern erneut einfach wegschauen will, der macht sich womöglich mitschuldig, wenn Giftgas tatsächlich zum Einsatz kommt», sagte Ischinger der «Rheinischen Post» (Mittwoch).
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisierte die ablehnende Haltung von SPD-Chefin Nahles zu einer militärischen Beteiligung. «Das kategorische, voreilige Nein von Frau Nahles ist verantwortungslos gegenüber den zahllosen Menschen, die Opfer der Kriegsverbrechen von Assad zu werden drohen», sagte Röttgen der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Mittwoch).
Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach sich dafür aus, dass sich Deutschland an möglichen Vergeltungsaktionen beteiligt. «Wenn Berlin seine Bereitschaft signalisiert, mit militärischen Maßnahmen zu reagieren, würde es sicher ein starkes Zeichen an Assad und die internationale Gemeinschaft insgesamt senden», sagte Rasmussen der «Bild»-Zeitung (Mittwoch).
Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour sagte «Zeit Online», die Grünen würden einen solchen Einsatz nur auf Basis einer völkerrechtlichen Grundlage unterstützen. Das Konzept der «Verantwortung zum Schutz» sehe vor, dass der Grundsatz der Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten außer Kraft gesetzt werden könne, wenn schwere Menschenrechtsverletzungen geschehen. «Deshalb bin ich bereit, ein Mandat zu prüfen, das diesem Grundsatz folgt», sagte Nouripour.