Votum des SPD-Parteitags wirkt weit über Deutschland hinaus

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HAMBURG
Veröffentlicht 20.01.2018 00:00
Aktualisiert 20.01.2018 14:25
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Kurz vor dem Parteitag in Bonn hat SPD-Vize Olaf Scholz eindringlich an die Delegierten appelliert, den Weg frei zu machen für Koalitionsverhandlungen mit der Union. «Die Entscheidung des Parteitags ist wichtig für Deutschland, wirkt aber weit über unsere Grenzen hinaus.»

Das sagte Hamburgs Erster Bürgermeister der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Nicht nur Deutschland, auch viele europäische Länder schauten am Wochenende auf Bonn. Am Sonntag sollen die Delegierten dort darüber abstimmen, ob das Ergebnis der Sondierungen von Union und SPD ausreicht und die Sozialdemokraten in Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigen sollen.

Die SPD ist in der Frage gespalten. Gegner und Befürworter einer weiteren großen Koalition versuchen seit Tagen unermüdlich, möglichst viele Delegierte von ihrer Position zu überzeugen. Die Parteiführung um Martin Schulz wirbt für Koalitionsverhandlungen. Den Widerstand gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot führen die Jusos an.

Die SPD-Spitze bereitet heute mit Gremiensitzungen den Parteitag vor. Am Nachmittag (15.00 Uhr) kommt zunächst das SPD-Präsidium zusammen, im Anschluss (16.00 Uhr) der Parteivorstand. Am Abend (18.00 Uhr) will Schulz einen Rundgang in der Parteitagshalle machen.

Parteivize Scholz hatte bei den Sondierungsgesprächen mit am Tisch gesessen. Er sagte, die Ergebnisse brächten echte Verbesserungen für die Bürger: etwa die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge, die Stabilisierung des Rentenniveaus oder die Einführung einer Grundrente. Er wünsche sich ein klares Signal von dem Bonner Parteitag. Auch der Chef der Industriegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, wies auf die Erfolge der Sozialdemokraten bei den Sondierungen hin. Verdi-Chef Frank Bsirske warb in der «taz» (Samstag) ebenfalls für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

Die einflussreichen SPD-Landesverbände aus Hessen und Nordrhein-Westfalen lobten einem Medienbericht zufolge ebenfalls die Sondierungsergebnisse, die geeignet seien, «im Rahmen von Koalitionsverhandlungen die noch offenen Fragen zu klären». Wie die «Süddeutsche Zeitung» (Wochenendausgabe) weiter schreibt, dringen die beiden Landesverbände aber zugleich auf «substanzielle Verbesserungen», etwa die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen.

Die Zeitung berief sich auf einen ihr vorliegenden Entwurf eines gemeinsamen Antrags, den die beiden Landesverbände am Sonntag einzubringen planen. NRW schickt die meisten Delegierten zu dem Parteitag, Hessen die viertmeisten. Die Landesspitze der SPD in Rheinland-Pfalz wollte am Freitagabend keine Abstimmungsempfehlung für ihre Delegierten abgeben.

Der Wirtschaftsrat der CDU warnte vor Erwartungen an weitere Zugeständnisse. «Die bisher getroffenen Vereinbarungen für die GroKo sind schon jetzt ein Belastungstest für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Arbeitsplätze», sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, der dpa. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nannte ein Scheitern einer GroKo in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) «politisch eine katastrophale Vorstellung für die größte Volkswirtschaft Europas».

Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni - Mitglied der sozialdemokratischen Regierungspartei PD - warb in einem Gastbeitrag für die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Samstag) für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner rief die SPD-Delegierten zu Zustimmung auf. Sie könne nur an sie appellieren, «dass sie am Ende das große Ganze im Blick haben. Es geht um die Regierungsfähigkeit in Deutschland und darum, dass die Ränder nicht gestärkt werden», sagte sie der «Rheinischen Post» (Samstag).

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab sich zuversichtlich. «Am Ende wird es grünes Licht für weitere Verhandlungen geben», sagte er der «Bild»-Zeitung (Samstag). Würde der Parteitag aber gegen den Kurs der SPD-Spitze votieren, hätte das wohl dramatische Folgen. Schulz könnte sich in dem Fall wohl kaum auf dem Chefposten der Partei halten. Die SPD-Führung wäre beschädigt. Ein weiterer Absturz im Fall einer Neuwahl würde drohen. Es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, dass die Delegierten dies in Kauf nehmen. Doch absolut sicher ist sich da niemand.

Der «Kölner Stadt-Anzeiger» (Samstag) berichtete unter Berufung auf SPD-Kreise, führende Politiker der NRW-SPD drängten Schulz, in einer möglichen GroKo keinen Ministerposten zu übernehmen. Ein Verzicht könne die Delegierten davon überzeugen, für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu stimmen. Schulz müsse die Befürchtung zerstreuen, dass die dringend erforderliche Erneuerung der Sozialdemokratie «wieder hinten runterfällt», wurde ein ungenannter SPD-Bundestagsabgeordneter zitiert.

Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar Emnid im Auftrag der Funke Mediengruppe zufolge waren vor dem Parteitag nur 28 Prozent der repräsentativ befragten Deutschen der Ansicht, Schulz könne die SPD erfolgreich sanieren. Das reicht demnach in der Rangliste zehn führender SPD-Politiker nur zu einem Mittelfeldplatz. Fast jeder zweite Bürger (48 Prozent) traute der Umfrage nach Schulz-Vorgänger Sigmar Gabriel am ehesten zu, die Partei aus der Krise zu führen.

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