Nach der Rückkehr des Menschenrechtlers Peter Steudtner nach Deutschland ist die Diskussion über den Umgang mit der Türkei neu entbrannt. SPD-Chef Martin Schulz forderte das Land auf, seine Politik grundlegend zu ändern.
«Die türkische Regierung darf Rechtsstaatlichkeit und internationale Kooperationen nicht weiter infrage stellen», sagte Schulz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sollte dies weiter geschehen, dann werde die Distanz zur EU noch größer werden. Die Freilassung Steudtners sei ein gutes Signal, «mehr aber auch nicht».
Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem klaren Kurs in der Türkei-Politik.
Annen warnte in der «Passauer Neuen Presse» «vor zu viel Euphorie», sah aber dennoch die Chance für ein Entspannungssignal. «Die Sorge um die anderen Gefangenen in Erdoğans Gefängnissen bleibt aber groß. Es gibt sehr viele Streitpunkte mit der Türkei, von Entwarnung kann deshalb keine Rede sein.»
Steudtner und sein schwedischer Kollege Ali Gharavi, der mit ihm inhaftiert war, waren am Donnerstagabend aus Istanbul in Berlin eingetroffen. Der Menschenrechtler hatte mehr als drei Monate in der Türkei im Gefängnis gesessen.
Peter Steudtner befand sich unter den Verdächtigen, die am 5. Juni bei einem Treffen auf den Istanbuler Prinzen Insel Büyükada festgenommen wurde. Die Verdächtigen standen im Verdacht Verbindungen zu Terrornetzwerken zu haben.
Der türkische Staatsanwalt hatte die Verdächtigen auch aufgrund der Planung von Aktionen angeklagt, die das Ziel hatten gewalttätige und chaotische Massenproteste während des „Gerechtigkeitsmarsch" der Opposition auszulösen.
Zum Auftakt seines Prozesses wegen Terrorvorwürfen hatte ein Istanbuler Gericht in der Nacht zu Donnerstag die Freilassung von Steudtner, Gharavi und sechs mitangeklagten türkischen Verdächtigen angeordnet. Das Verfahren wird am 22. November fortgesetzt.
Bei der Freilassung Steudtners soll Altkanzler Gerhard Schröder eine zentrale Rolle gespielt haben. Ein Geheimtreffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan im September soll einen Durchbruch gebracht haben. Die Idee für die Vermittlungsmission hatte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), von Merkel wurde sie mitgetragen.