War es eine der letzten Gelegenheiten für ein Einlenken? Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und EU-Minister Ömer Celik wurden von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und dem für die Beitrittsverhandlungen zuständigen EU-Kommissar Johannes Hahn in Brüssel empfangen.
Die Fronten bleiben weiterhin verhärtet. Konfliktpunkte gibt es mehr als genug. Ein Überblick:
DIE ZOLLUNION
Die Regierung in Ankara hat erhebliches Interesse daran, die seit 1996 mit der EU bestehende Zollunion auszubauen. Verhandlungen darüber sollten eigentlich bereits Ende vergangenen Jahres beginnen. EU-Kommissar Hahn machte am Montag deutlich, dass die lange geplante Vertiefung ganz konkret an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards geknüpft werden könnte. Wirtschaftlich gesehen ist dies allerdings heikel. Von der Modernisierung der Zollunion sollen nämlich nicht nur türkische, sondern auch europäische Unternehmen erheblich profitieren - beispielsweise im Agrar- und Dienstleistungsbereich.
DIE EU-BEITRITTSVERHANDLUNGEN
Ein Aussetzen der EU-Beitrittsverhandlungen könnte ein negatives Signal Richtung Ankara sein. Doch im zuständigen Rat der Europäischen Union kämpfte bis zuletzt einzig und allein Österreich offen für einen solchen Schritt. In den meisten anderen Mitgliedsstaaten befürchten die Regierungen, dass der Schaden eines Verhandlungsabbruchs zum derzeitigen Zeitpunkt größer sein könnte als der Nutzen - auch wegen der Absprachen mit der Türkei zur Flüchtlingskrise. Der EU-Flüchtlingspakt sieht unter anderem vor, dass illegal auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge und Migranten zurück in die Türkei geschickt werden.
DIE EU-FINANZHILFEN
4,45 Milliarden Euro: Das ist der Betrag, den die EU der Türkei für den Zeitraum von 2014 bis 2020 als sogenannte «Heranführungshilfe» zugesagt hat. In Reaktion auf die Inhaftierung des Verdächtigten Peter Steudtner kündigte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in der vergangenen Woche an, mit seinen europäischen Kollegen über diese Hilfe sprechen zu wollen. In Brüssel wird mit Spannung erwartet, was dies bedeutet. Nach Angaben der EU-Kommission können Zahlungen rechtlich nämlich nur dann eingestellt werden, wenn die Beitrittsverhandlungen zumindest ausgesetzt werden. Der Spielraum für eine Umschichtung der Mittel in Projekte für die Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit wird laut dem zuständigen EU-Kommissar Johannes Hahn bereits heute genutzt.
RESTRIKTIVE MAßNAHMEN
«Um die Achtung der Menschenrechte und die Einhaltung der Grundsätze der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der verantwortungsvollen Staatsführung zu gewährleisten», kann die EU Sanktionen gegen Regierungen, Organisationen oder Einzelpersonen verhängen. Im Fall der Türkei könnten in einem ersten Schritt theoretisch Verantwortliche für die Inhaftierung von Verdächtigen ins Visier genommen werden. Gegen sie würden dann EU-Einreiseverbote verhängt und sie würden auf die Liste derjenigen Personen kommen, von denen zum Beispiel in der EU vorhandene Konten eingefroren werden. Diese Maßnahme müsste jedoch rechtlich begründet werden. Dies ist vor allem deshalb schwer, weil die Türke gemäß den eigenen souveränen Rechtsstaatsprinzipien handelt. Dies geschieht nicht durch Aktionen einzelner Akteure, sondern innerhalb amtlich-institutioneller Vorgänge. Bislang werden Sanktionsvorbereitungen nicht laut diskutiert, dies könnte sich aber nach einem möglichen Aussetzen der EU-Beitrittsverhandlungen ändern. Der öffentliche Druck, sich in letzterem Punkt zu bewegen, wurde zuletzt aber noch einmal größer. Unter anderem das EU-Parlament hatte bereits ein Aussetzen der Verhandlungen gefordert.
WIE ES WEITER GEHT
Ob, und wenn ja wie, die EU Druck auf die Türkei ausübt, liegt allein in der Hand der Regierungen der Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission kann zwar Vorschläge machen, letztlich entscheiden allerdings die Vertreter der 28 Regierungen. Nach den jüngsten EU-Türkei-Gesprächen dürften die Diskussionen weiter angeheizt werden.