Die Türkei wird ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit der Europäischen Union fortsetzen, aber alle politischen und administrativen Beziehungen, einschließlich das Flüchtlingsabkommen, nach dem bevorstehenden Referendum am 16. April auf Prüfstand stellen, sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag.
Nach dem türkischen Referendum über die Verfassungsänderung am 16. April werde alles „von A bis Z" auf den Tisch kommen, sagte Erdoğan dem Sender CNN Türk. Er dementierte zudem Medienberichte, wonach er noch vor dem Referendum nach Deutschland reisen wolle. Das habe er nicht vor.
„Ihr sollt die Freiheit haben, Erdoğan einen Diktator zu nennen, aber Erdoğan soll nicht die Freiheit haben, das Verhalten der europäischen Länder faschistisch zu nennen oder Nazi-Vergleiche zu machen", sagte Erdoğan im Präsidentenkomplex in Ankara. „Solange sie Erdoğan einen Diktator nennen, werde ich sie weiterhin mit genau diesen Begriffen anreden. So einfach ist das."
Erdoğan sagte, er „bedauere" die Kritik des neuen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier an seiner Person, die dieser geäußert habe, „obwohl wir gut befreundet sind". Er fügte hinzu: „Hätte er eine solche Erklärung nur nicht abgegeben."
Der Präsident übte Kritik an Äußerungen von BND-Präsident Bruno Kahl und beschuldigte die Bundesregierung, den Chef des Auslandsgeheimdienstes als Sprachrohr benutzt zu haben. Kahl hatte sich in einem ‚Spiegel'-Interview nicht überzeugt von Erdoğans Darstellung gezeigt, wonach der Anführer des Gülenisten-Terrorkults (FETÖ) Fetullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich sei. „Der Chef einer Geheimdienstorganisation kann selbst nicht so eine Erklärung abgeben", sagte Erdoğan. „Das zeigt, wo die deutsche Regierung steht."
Erdoğan kritisierte auch EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn und kündigte an, dessen Namen in Zukunft nicht mehr auszusprechen. Hahn hatte einen EU-Beitritt der Türkei in der ‚Bild'-Zeitung „immer unrealistischer" genannt. Er hatte außerdem nicht ausgeschlossen, dass die EU-Staaten bald über einen möglichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara beraten könnten.
Die deutsch-türkischen Beziehungen wurden Anfang März erneut angespannt, nachdem vorgeplante und angekündigte Auftritte einiger türkischer Minister ein paar Stunden vor Veranstaltungsbeginn aufgrund angeblichen Sicherheitsgründen gestrichen wurden. Allerdings gab es zuvor parteiübergreifend Forderungen zahlreicher deutscher Politiker, die Auftritte türkischer Regierungsmitglieder zu verhindern.
Als Reaktion wurde der deutsche Botschafter in Ankara, Martin Erdmann ins türkische Außenministerium einbestellt.