Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz riet der Türkei am Freitag Beitrittsverhandlungen zur EU nicht aufzugeben. Schweigen sei keine Lösung, sagte der SPD-Politiker. Es mache die Situation oft nur noch schlimmer.
Seine sozialdemokratischen Parteikollegen äußern sich immer deutlicher gegen einen Beitritt der Türkei in die Europäische Union. Gianni Pittella, die Fraktionschefin der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, spricht sich klar gegen weitere Verhandlungen aus: „Wenn diese Situation so weitergeht, muss die EU die Beitrittsgespräche einfrieren. Das ist nicht unsere Schuld, die Ursache dafür ist das Verhalten von Staatspräsident Erdogan", sagte sie im Interview mit SpiegelOnline.
Schulz hingegen ist der Meinung, dass ein Ende der Beitrittsverhandlungen nicht im Sinne der EU wäre und eher zum Nachteil für die Europäer. „Tatsächlich würde das Gegenteil eintreten. Wir würden die Gelegenheit verpassen Einfluss auf die Geschehnisse in der Türkei zu nehmen, um so möglicherweise die [politische] Lage zu verbessern", so Schulz.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte diese Woche bekannt gegeben, dass er bis Ende des Jahres abwarten werde, wie sich die Verhandlungen weiterentwickelten. Ansonsten werde er im nächsten Jahr im Rahmen eines Referendums entscheiden lassen, ob die Türkei aus den Verhandlungen austreten soll.
Die Abgeordneten der Europäischen Union sehen insbesondere Maßnahmen, die nach dem gescheiterten Putsch eingeleitet wurden als nicht EU-konform an. Die türkische Regierung beruft sich dabei auf den Ausnahmezustand, der im Zuge der Geschehnisse des vereitelten Putsches ausgerufen wurde. So arbeitet die Regierung derzeit in diesem Rahmen an einem Entwurf zur Wiedereinführung der Todesstrafe.
Schulz ist der Meinung, dass die Todesstrafe in der Türkei ein „klares Ende" der Beitrittsverhandlungen bedeuten würde.
Andere Politiker gestehen ein, dass schon jetzt eine Vollmitgliedschaft der Türkei höchst unwahrscheinlich ist und halten stattdessen an anderen Kompromissen fest: „Warum halten wir an der wenig realistischen Vollmitgliedschaft der Türkei als Ziel fest, wenn es weit sinnvollere Alternativen gibt", sagt zum Beispiel der altgediente EU-Außenpolitiker Elmar Brok. Er könnte sich enge wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei vorstellen ohne Vollmitgliedschaft, beispielsweise wie mit Norwegen.