EU vor dem Aus? Valls sieht Kollaps voraus

DAILY SABAH
ISTANBUL
Veröffentlicht 18.11.2016 00:00
Aktualisiert 18.11.2016 13:50
AFP

Die Flüchtlingskrise und der Abschied von Großbritannien aus der EU haben tiefe Risse in die Einigkeit der Europäer gezogen. Der französische Premierminister Manuel Valls warnte vor den Risiken eines möglichen Kollapses des europäischen Blocks.

Schon seit langem spalten sich die Meinungen der EU-Abgeordneten bei Themen wie Migration, Grenzkontrollen oder wirtschaftlicher Integration. Europa habe seine Grenzen erreicht, stehe kurz vor dem Fall und sei selten so nah am Versagen gewesen wie jetzt. Der französische Premier Valls plädierte während eines Deutschlandbesuchs jetzt die Notwendigkeit einer starken Basis – bestehend aus Deutschland und Frankreich.

Valls ist der Meinung, dass sie seit Jahrzehnten die Hauptachse der EU gewesen wären. Um Frankreich und Deutschland herum hätte sich schließlich die Union gebildet. Nun müssten sie auf einen Nenner kommen, um die Migrationskrise in den Griff zu bekommen, dem Mangel an Solidarität entgegen zu treten, Großbritanniens absehbaren Abschied zu verarbeiten und Maßnahmen gegen Terrorangriffe zu erarbeiten. „Europa droht auseinander zu fallen", sagte Valls der Tageszeitung Süddeutsche. „Auf Deutschland und Frankreich lastet eine große Verantwortung."

Frankreich insbesondere müsste seine Märkte öffnen. Deutschland und die gesamte EU hingegen müssten ihre Investitionen ausweiten, um Wirtschaftswachstum anzuregen und mehr Jobs zu schaffen.

Großbritannien sollte indessen vom ‚Rosinen picken' abgehalten werden. Die EU verlassen, um weniger Migranten aufzunehmen und gleichzeitig alle Vorteile des gemeinsamen Marktes zu genießen, sei keine Option für Valls. „Sollten sie all die Vorzüge der EU auch ohne eine Mitgliedschaft genießen können, steht es unseren anderen Mitgliedern frei, unser Bündnis zu verlassen."

Immigration war einer der Hauptpunkte, warum die Briten für einen Ausstieg gestimmt haben. Der Brexit ist das Ende einer über 50-jährigen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Die EU war als Friedensgarant gedacht. Wirtschaftliche und politische Integration ließen die EU-Staaten immer weiter miteinander kooperieren, um so Abhängigkeiten zu schaffen, die den Frieden in Europa wahren sollten.

Der Brexit verursachte „tiefe Wunden", wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Ergebnissen des Referendums verkündete. Es bräuchte wohl einige Zeit, bis diese verheilen könnten. Die verbleibenden EU-Staaten fürchten wirtschaftliche Risiken nachdem Großbritannien die EU verlassen hat. Schließlich könnte sogar die gesamte EU auseinanderbrechen.

Auch die unkontrollierte Ankunft von über einer Millionen Migranten, die dem Bürgerkrieg in Syrien fliehen stellt die europäische Gemeinschaft auf die Probe. Die Mitgliedsstaaten können sich nicht einigen. Während die einen Grenzzäune bauen, öffnen die anderen ihre Grenzen für alle Flüchtigen aus Syrien. Die deutsche „Open-Door"-Politik wird gleichzeitig oft als Einladung für Terroristen kritisiert. Die Flüchtlingskrise ist die schlimmste ihrer Art seit dem Zweiten Weltkrieg. Bis heute geraten die Meinungen in diesem Punkt immer wieder auseinander.

Europäische Nationalisten stellten sich immer entschiedener gegen die Politik der deutschen Kanzlerin. In Großbritannien hat schließlich die ‚Leave'-Kampagne (Verlassen) gewonnen. Auch in der nationalen Politik sieht sich Merkel immer mehr Kritikern gegenüber. Die Alternative für Deutschland (AfD) bekommt immer mehr Zuspruch in ihren Kampagnen gegen Zuwanderung. Merkel hingegen hält noch immer an ihrer Strategie fest: „Wir schaffen das!"

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