Auf dem Rückflug von seinem Staatsbesuch in Weißrussland gab Präsident Recep Tayyip Erdoğan Reportern und Journalisten exklusive Interviews. Erdoğan kritisierte all die Proteste, die sich gegen den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump richteten. Bei der Wahl handelte es sich um einen demokratischen Prozess. Das müssten auch seine Gegner akzeptieren. Er rechnet damit, dass die Proteste schon bald abklingen würden.
„Ich wäre nicht überrascht, wenn diejenigen, die jetzt auf der Straße sind, bald in der Reihe stehen werden, um einen Termin mit Trump zu bekommen", sagte er.
Während des Wahlkampfs blieb die Türkei neutral. Egal wer Obamas Amt übernehmen würde, die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten würden auch in Zukunft genauso intensiv weitergeführt werden, betonte der türkische Präsident. „Nur einen der Kandidaten vor den Wahlen zu kontaktieren, wäre nicht richtig gewesen. Wir verdeutlichten, dass beide Kandidaten wussten, dass wir mit jedem zusammenarbeiten werden, wen auch immer das amerikanische Volk als Präsident wählen würde."
Er wies auf auch Berichte von Spenden des Gülenisten-Terrorkults (FETÖ) an die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, hin und sagte, dass solche Beschuldigungen ermittelt werden würden.
Erdoğan äußerte sich auch zu seinem Telefongespräch mit Trump am Mittwoch, nach seiner ersten Rede: „Ich habe ihm zu seinen Erfolg gratuliert. Er wird sein Amt am 20. Januar übernehmen. Außerdem habe ich den Wunsch geäußert, dass die Türkei eines der ersten Ländern sein wird, die er besuchen wird."
Mit der Obama-Regierung gab es oft Meinungsverschiedenheiten. Themen wie Syrien, Irak und die Unterstützung von anderen Terrorgruppen im Kampf gegen Daesh, sorgten immer wieder für gespaltene Meinung zwischen Obama und Erdoğan. Trump Berater hatten schon zuvor geäußert, dass sie türkische Regierung deutlich näher stehen würden, als der Vorgängerpräsident, erklärte Erdoğan.
„Eine Flugverbotszone ist sehr wichtig. Dies unterstützen sie [die Trump-Regierung]. Eine Flugverbotszone wäre der erste Schritt für einer Sicherheitszone [in Nordsyrien]."
Er sagte, dass es noch zu früh wäre, um detaillierte Gespräche zu diesem Thema zu halten und brachte seinen Wunsch für ein baldiges Treffen zwischen den beiden Ländern nach dem 20. Januar. Es sollte keine Zeit verschwendet werden. Insbesondere mit Hinblick auf die Entwicklung in Syrien und den Irak, die von äußerster Bedeutung für die nationale Sicherheit der Türkei sind, müsste schnell gehandelt werden.
Die Aktivitäten der terroristischen PKK im Irak und Syrien, besonders in Sinjar, sind besonders gefährlich für die nationale Sicherheit der Türkei, sagte Erdoğan. Er warnte vor Aktivitäten der schiitischen Miliz Hashd al-Shaabi als Teil der Mossul-Operation gegen die Daesh. Die Türkei verfolge jede Bewegung, die der Minderheit der Turkmenen in der Region schaden könnte, erklärte Erdoğan. Niemand sollte die demographische Lage der Region ändern.
„Ich habe wiederholt meine Bedenken an Obama und unseren europäischen Freunden geäußert. Leider wurden die erwarteten Resultate nicht erreicht. Die Türkei möchte den Beziehungen zum Irak nicht schaden, aber jeder sollte daran arbeiten, dass keine Ungerechtigkeit stattfindet. In Mossul gibt es 1,5 Millionen sunnitische Araber, 400.000 Turkmenen und 100.000 Kurden. Wir müssen sie unterstützen."
Die jüngste Stationierung von türkischen Militärtruppen an den Grenzregionen dient der Unterstützung von moderaten Gruppen gegen die Daesh, so Erdoğan. „Wir verfolgen die Bemühungen in Sinjar, Tal Afar und Mossul. Denjenigen, die verlangen, dass wir gehen, sagen wir ‚Nein'. Wir haben unsere Truppen nicht aus einer Laune heraus dort stationiert. Wir wurden dazu aufgefordert die Peschmerga der Autonomen Region Kurdistan (KRG) und die Ninevah-Wachen zu trainieren. Diese Gruppen sind entscheidend im Kampf gegen die Daesh. Wir können die Aufforderung unserer Freunde in der KRG und den Einheimischen ignorieren."
Präsidialsystem
In Bezug auf die Einführung des Präsidialsystems nach dem parlamentarischen System, sagte Erdoğan, dass er wüsste, dass Ministerpräsident Binali Yıldırım und MHP-Chef Devlet Bahçeli derzeit Diskussionen zur Änderung der Verfassung führten, die auch eine Änderung des Systems vorsieht. „Beide Vorsitzenden werden zwei oder drei Beamte beauftragen, um die Details auszuarbeiten. Ich denke, im Nachhinein, werden sich die Vorsitzenden nochmal treffen und einen Plan erstellen. Es wäre nicht richtig, zu einem Zeitplan zu kommentieren."
Er hoffe auch, dass die Treffen zwischen den beiden Chefs zu einem Ergebnis führten, von dem die Türkei profitieren wird. Erdoğan fügte hinzu, dass der derzeitige Stand der Gespräche daraufhin weißt, dass sie dieselben Ziele haben.
Nicht alles ist vollständig Kontrolle
„Einerseits gibt es eine Oppositionspartei, die mit der Regierung spricht. Die Anti-Terror-Haltung der MHP ist unbestreitbar für alle zu sehen. Andererseits gibt es die Hauptoppositionspartei mit einem in Form einer Terrororganisation, die sich weigern sich in der Politik zu betätigen. Jeder sollte diese Tatsachen beachten."
Noch sei nicht alles ein hundertprozentig unter Kontrolle. „Es gibt manche im Gefängnis denen es leicht fällt zu tweeten. Dies zeigt fehlende Kontrolle. Der Nachrichtendienst muss intensiver arbeiten. Manche rufen zum Ende des Ausnahmezustands auf. Das Leben steht nicht still aufgrund des Ausnahmezustands. Das Leben geht weiter. Als wir zum ersten Mal regierten, hoben wir den Ausnahmezustand im Südosten innerhalb von zwei Monaten auf. Zu dieser Zeit war der Ausnahmezustand nicht so wie wir es heute haben. Das Leben im Südosten kam buchstäblich zum Stillstand."
„Diejenigen, die ihre Ziele nicht erreicht haben, denken nun über Mordanschläge nach." Er wies darauf hin, dass die Ermordung des Bezirksverwalters von Derik, Mardin, Muhammet Fatih Safitürk, der bei einem Terrorangriff voraussichtlich von der PKK ums Leben kam, solch ein Mordschlag war.
Schwindenden Beziehungen zu Deutschland
Erdoğan wurde auch gefragt, wie sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland innerhalb von einem Jahr so verschlechtern konnten. „Unsere Gespräche mit Deutschland wurden nie beendet", sagte Erdoğan. Er fügte hinzu, dass die Türkei wiederholt Vorschläge für langfristige Investitionen für Orte, wo Syrer leben, bearbeite. Die Vorschläge erhielten positive Reaktionen von den deutschen Behörden, doch kam es zu keinen weiteren Schritten.
Er erinnerte daran, dass die Europäer ihren Teil der Abmachung nicht einhielte. „Die Europäische Union möchte anscheinend, dass wir aus den Beitrittsgesprächen austreten. Wenn es das ist, was sie wollen, dann sollen sie es ruhig sagen. Wir können nicht für immer geduldig warten. Die britische Regierung hat ihr Volk gefragt was sie wollten. Wir können dies auch tun. Wir werden tun, was unser Volk verlangt."
Die Ereignisse haben sich überschlagen. „Stellen Sie sich vor: Der deutsche Präsident lädt eine Person ein, die für Terror und zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Er flüchtet als er für die Revision des Falls freigelassen wurde. Daraufhin werden er und seine Frau bei dem deutschen Präsidenten vorgeladen. Dann gibt Paris ihm eine Ehren-Staatsbürgerschaft. Das ist ein Skandal. Solche Taten werden ihnen letzten Endes auch schaden."
Europäische Institutionen würden sich fast darum reißen, internationale Terrororganisationen unter die Arme zu greifen und mit Lob zu überschütten.
Erdoğan sagte, dass die Regierung möglicherweise bald die Staatsbürgerschaft von FETÖ- und PKK-Militanten annulliert werde: „Die Regierung wägt dies ab."
Minsk-Besuch
Erdoğan wollte eigentlich schon Ende Juli nach Weißrussland gereist sein. Aufgrund des gescheiterten Putschversuches aber musste er die Reise verschieben. Er sagte, dass ihm die Gespräche mit seinem weißrussischen Amtskollegen Alexander Lukaschenko gefallen hatten und beschrieb ihn als entschlossen Staatschef, der sich auf die Unabhängigkeit und Entwicklung seines Lands konzentriere.
Lukaschenko brachte seine Unterstützung für die türkische Regierung nach dem 15. Juli-Putschversuch zum Ausdruck, sagte Erdoğan: „Seine Unterstützung für die muslimische Minderheit in seinem Land und seine Bemühungen die Minsker Moschee wiederherzustellen ist lobenswert."
Die beiden Länder wollen ihr bilaterales Handelsvolumen von derzeit 400 Millionen Dollar auf einen Milliarde Dollar so bald wie möglich erhöhen, sagte Erdoğan. Er fügte hinzu, dass die beiden Ländern eine nahe und freundliche Beziehung miteinander führen. Er bedankte sich bei dem weißrussischen Staatschef für seine Hilfe für die Wiederherstellung der russisch-türkischen Beziehungen.
Erdoğan sagte, dass er Lukaschenko um einen Hektar von Land gebeten hatte, um eine größere Botschaft und ähnliche Gebäude zu bauen, damit die Türkei eine größere Präsenz in Minsk habe. Minsk liegt seiner Meinung nach an einem sehr strategischen Punkt in Europa.