Erstmals seit Beginn des Ukraine-Konflikts kommt Russlands Staatschef Wladimir Putin zu Gesprächen nach Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lud Putin zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und Frankreichs Staatschef François Hollande für Mittwochabend nach Berlin, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag mitteilte. Merkel dämpfte die Erwartungen: Von dem Treffen im sogenannten Normandie-Format seien "keine Wunder" zu erwarten.
Ein Jahr nach ihrem letzten Zusammenkommen im Normandie-Format am 2. Oktober 2015 in Paris solle nun die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen seitdem bewertet und weitere Schritte beraten werden, erklärte Regierungssprecher Seibert.
Die vier Staats- und Regierungschefs hatten im Februar 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ein Friedensabkommen für den Osten der Ukraine geschlossen. Dieses sieht neben einem Waffenstillstand und dem Abzug schwerer Waffen von der Front auch Wahlen vor. Das Abkommen ist aber bis heute nicht umgesetzt, während die Spannungen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und pro-russischen Rebellen immer wieder eskalierten.
Merkel sagte am Dienstag in Berlin, seit ihrem Treffen mit Putin, Poroschenko und Hollande in Paris vor einem Jahr habe es "eine Vielzahl an Gesprächen auf verschiedenen Ebenen" gegeben. "Trotzdem haben wir nicht erreicht, was wir wollten. Es stockt an vielen Ecken", beklagte die Kanzlerin.
Ihre Kollegen und sie müssten nun "jede Möglichkeit ausschöpfen". "Sicherlich darf man von dem Treffen morgen keine Wunder erwarten, aber es ist der Mühe wert an dieser Stelle die Bemühungen weiter zu treiben", sagte Merkel in Berlin.
Auch Poroschenko dämpfte indes Hoffnungen auf substanzielle Fortschritte: "Lasst uns keine sehr hohen Erwartungen an das Treffen stellen", sagte der ukrainische Staatschef in Oslo. "Aber ich wäre sehr froh, wenn ich widerlegt würde."
Wie verhärtet die Fronten sind, zeigte am Dienstag auch Russlands Reaktion auf die Erklärung des ukrainischen Präsidialamts, der Berliner Gipfel solle Moskau dazu bringen, das Minsker Abkommen umzusetzen. Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte dazu, dies zeige, "wie sehr die Ukraine nicht vorhat, ihre Verpflichtungen zu erfüllen". "Im Moment tut Kiew nichts", kritisierte Peskow.
Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault erklärte, Ziel des Gipfels sei es, "beim Wahlgesetz, beim Status des Donbass voranzukommen", um dort Kommunalwahlen abzuhalten. Hier leiste die Ukraine Widerstand, weil sie "kein Vertrauen habe".
In dem seit April 2014 anhaltenden Konflikt im Osten der Ukraine wurden bereits mehr als 9600 Menschen getötet. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Rebellen mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen. Moskau bestreitet dies. Russland hatte die ukrainische Halbinsel Krim besetzt und im März 2014 trotz internationaler Proteste annektiert.
Die EU hatte wegen der Rolle des Kremls in dem Konflikt eine Reihe von Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Beim Treffen der 28 EU-Außenminister am Donnerstag in Brüssel sollte es auch um das Verhältnis zwischen Europäischer Union und Russland gehen. Wegen Moskaus Rolle im Syrien-Konflikt hatte es im Vorfeld Rufe nach schärferen Sanktionen gegeben. Diese sind jedoch fürs erste vom Tisch.