Während die EU- Führungsländer nicht in der Lage sind, die 28-Länder-Union intakt zu halten, schickte die Türkei eine ernste Warnung an die EU. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und der Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagten, dass es in der nächsten Zukunft ein Referendum geben würde, um die Beitrittsgespräche zu beenden.
„1963 haben Sie ein offizielles Versprechen der Türkei gegeben. Es ist nun 53 Jahre her. Sie verschwenden immer noch Zeit. Warum verschwenden Sie sie? (…) Sie diskriminieren gegen die Türkei. Wenn die EU die Türkei entlässt, wird die Türkei zur Bevölkerung gehen. Wir werden sie fragen, ob wir die Beitrittsgespräche weiter führen sollen, oder nicht", sagte Erdoğan am Mittwoch und fügte hinzu, dass er vermutet, dass der Grund für die Verzögerung des Türkeibeitritts die hauptsächlich muslimische Bevölkerung sei.
„Das Referendum ist keine Erpressung oder Bedrohung. Wir wollen unser Recht erhalten. Unsere Bürger verdienen es", sagte Çavuşoğlu am Dienstag, und fügte hinzu, dass die Türkei ein Referendum abhalten könnte, wenn die Versprechen nicht erfüllt werden.
„Würde man heute ein Referendum halten, würden ein überwältigender Teil der Öffentlichkeit gegen die Beitrittsverhandlungen sein", sagte Adil Gür, der Präsident des A&G Forschungsunternehmens; das erfolgreichste Umfrage-Institut bei den Wahlen am 1. November.
„Ungerechtigkeit und doppelte Standards an die Türkei machten die Menschen gegenüber der Europäischen Union gleichgültig. Siebzig Prozent der Menschen würden bei einem Referendum gegen die EU stimmen", sagte Kemal Öztürk, ein Kolumnist der Tageszeitung Yeni Şafak, der Daily Sabah.
Mehmet Murat Pösteki, Leiter des Objektiven Forschungszentrum (ORC), erklärte der Daily Sabah Mitte März, dass laut einer Umfrage seiner Firma fast 65% der Öffentlichkeit es gleich sei, ob die EU nun die Türkei aufnimmt oder nicht.
Erdoğan kritisierte den britischen Ministerpräsidenten David Cameron für seine Behauptung, dass die Türkei nicht in der Lage sein werde, bis zum Jahr 3000 in die EU einzutreten. „Sie signalisieren uns, dass wir nicht bis zum Jahre 3000 in die EU eintreten könnten. Cameron, so sprachen Sie nicht mit uns, als wir uns trafen. Was ist jetzt passiert?", sagte er.
Es gibt zwei Gründe, wieso die Türken über die EU sehr skeptisch sind, sagte Gür: „Der erste Grund ist, dass die EU die Zeit der Türkei vergeudet hat. Der zweite ist, dass die EU nicht ihre Versprechen im Laufe der Visa-Liberalisierung erfüllte."
„Hätte Großbritannien ein Referendum gehalten, um die Union zu verlassen, wenn die EU wirklich etwas wert wäre?", erklärte Öztürk. „Jahre später wird die EU zur Türkei kommen, um eine Mitgliedschaft anzubieten. Sogar jetzt ist die Wachstumsrate der Türkei besser, als viele andere Mitgliedstaaten."
Millionen von Briten begannen am Donnerstag über das Referendum zu stimmen, was den größten Notfall der 60-jährigen Geschichte des Blocks aufbrachte. Eine Rekordzahl von 46,6 Millionen Wählern wurden registriert, um über die Zukunft Großbritanniens zu entscheiden.
Öztürk fügte außerdem hinzu, dass die Flüchtlingskrise und die Haltung der EU in Bezug auf terroristische Organisationen in der Türkei Misstrauen geschaffen hat.
Laut den Umfragen der ORC ist die Visa-Liberalisierung den Türken zu 80 bis 90% gleich. „Falls Herr Erdoğan mit seiner Strategie weiter macht, um somit den türkischen Bürgern das Recht auf die visum-freie Einreise zu verweigern, wird er die Verantwortung dafür übernehmen", sagte der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, Mitte Mai. „Das ist nicht mein Problem. Es wird sein Problem sein."
Erdoğan erklärte, dass die Türken nicht hinter der Visa-Liberalisierung oder des Rückübernahmeabkommen jagen. „Sie jagen derzeit die Türkei. Sie denken jetzt, was mit ihnen geschieht, wenn die Türkei ihre Tore für die Flüchtlinge öffnet."
„Geduld, Geduld, Geduld, und dann werden wir alles tun, was notwendig ist. Wofür gibt es Busse und Flugzeuge?", warnte Erdoğan im Februar.
Ankara und Brüssel hatten kürzlich Ultimaten über die Visa-Liberalisierung ausgetauscht. Brüssel verlangt, dass Ankara die Definition des Terrorismus in den Anti-Terror-Gesetzen des Landes umändert, doch Erdoğan lehnte dieses scharf ab. „Die Anti-Terror-Gesetze der Türkei werden nicht für die Visa-Liberalisierung geopfert werden", sagte er.
„Die Türkei hat ihren Teil in Bezug auf die Visa-Liberalisierung getan. Unsere Haltung gegenüber den Flüchtlingen ist klar. Sie sind unsere Gäste. Wenn sie aber nach Europa gehen möchten, und Europa nicht erfüllt, was erforderlich ist, werden wir unsere Grenzen öffnen", sagte Vize-Parteichef der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) Bülent Turan der Daily Sabah im Mai.