Erdoğan: Redefreiheit kann Spionage-Versuche nicht abschirmen

SERDAR KARAGÖZ @serdarkaragoz
ISTANBUL
Veröffentlicht 04.03.2016 00:00
Aktualisiert 04.03.2016 17:05
Präsident Erdoğan mit Journalisten, einschließlich Daily Sabahs Chefredakteur Serdar Karagöz rechts, stehend AA Foto
Präsident Erdoğan mit Journalisten, einschließlich Daily Sabahs Chefredakteur Serdar Karagöz (rechts, stehend) (AA Foto)

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sprach am letzten Tag seiner Tour in Westafrika in der nigerianischen Hauptstadt Abuja mit den Journalisten, und sagte, dass der Fall von der Veröffentlichung von streng geheimen Informationen über verschiedene Maßnahmen des türkischen Geheimdiensts (MIT) für die Hilfe der Bayırbucak Turkmenen in Nordsyrien, ausschließlich Spionage war.

„Dies ist kein gewöhnlicher Fall. Wir sprechen über einen Fall von Spionage. Diejenigen, die dies versucht haben, ob nun Staatsanwälte oder Militärbeamte, sind derzeit im Gefängnis. Sie wurden von ihren Pflichten entlassen", sagte Erdoğan und fragte, wie Maßnahmen diesen Fall betreffend als Verletzung der Redefreiheit angesehen werden kann. Erdoğan bezog sich auf das Urteil des Verfassungsgerichts im Falle des Chefredakteurs der Tageszeitung Cumhuriyet Can Dündar und dem Vertreter in Ankara Erdem Gül, die beschuldigt werden, eine strengst geheime Staatsinformation erworben und veröffentlicht zu haben. Diese Informationen sind von Bedeutung für die Sicherheit des Landes und der Spionage. Während ihrer anstehenden Gerichtsverhandlung für Spionage saßen beide in Haft, doch letzte Woche entschied das Verfassungsgericht, dass die anhaltende Inhaftierung eine Verletzung der Verfassung sei. Beide Verdächtigen wurden, trotz laufender Verhandlung, freigelassen.

„Haben Mitglieder der Medien die Freiheit alles zu tun, was sie wollen?", fragte Erdoğan und argumentierte, dass der Fall die Offenlegung von entscheidenden MIT-Geheimnissen und die Manipulation von Fakten beinhaltet, damit die Türkei als ein Land dargestellt wird, die die Daesh unterstützt. Er frage sich auch, wie Maßnahmen gegen solche Handlungen als Verletzung der Pressefreiheit angesehen werden können, und fügte hinzu: „Falls man das Konzept der Freilassung von Verdächtigen bei laufendem Prozess nutzt, in denen Staatssicherheitsgeheimnissen veröffentlicht werden, wird der Preis unglaublich hoch sein."

Er wies auch auf eine frühere Erklärung des Verfassungsgerichts-Vorsitzenden Zühtü Arslan hin, der den Gerichten geraten hatte, die Verkündung des Urteils, abzuwarten bis sie das Argument, worauf sich das Urteil beruht, veröffentlichten. Die rasche Veröffentlichung des Urteils wiederspricht der Erklärung von Arslan. Er kritisierte auch das Eingreifen des Gerichts in ein laufendes Verfahren.

Erdoğan sagte, dass er Arslan respektiert, aber die Entscheidung des Gerichts war ein schlechter Tag für die Justiz in der Türkei. „Er sagte auch, dass das getroffene Urteil des Verfassungsgerichts alles andere ungültig macht und für alle verbindlich ist. Er hat in Bezug auf Verfassungs- und Gesetzesänderungen Recht. Aber dies gilt bei individuellen Anträgen nicht."

Er fügte hinzu, dass das Verfassungsgericht ihre Entscheidung an die Vorinstanz gesendet hatte, die die Verhaftung von Can und Gül anordnete. „Wenn die Entscheidung bindend ist, besteht keine Notwendigkeit diese an die Vorinstanz zu schicken, die das Recht haben Einspruch zu erheben. Ist dies der Fall, kann das Verfassungsgericht nichts tun. Die Verdächtigen könnten die Angelegenheit zum Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte bringen, die zu Gunsten der Verdächtigen handeln könnten. Und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist in Bezug auf Entschädigung bindend. Dann wird der Staat entweder Einspruch erheben oder die Entschädigung zahlen."

Erdoğan sagte, dass er als Präsident das Recht habe, die Bedenken der Öffentlichkeit zu Wort zu bringen. „Bemerkungen die meine Treue zur Verfassung in Frage stellen, sind erschütternd. In dieser Angelegenheit ist es nicht eine Frage der Loyalität gegenüber dem Verfassungsgericht. Ja, es gibt einen Verstoß gegen die Verfassung hier und ich bin nicht derjenige, der es getan hat. Es ist das Verfassungsgericht selbst. Während die Vorinstanz das Urteil des Verfassungsgerichts befolgte, kann die Staatsanwaltschaft das Urteil immer noch anfechten. Wir müssen abwarten und sehen, wie die Gerichtsverhandlung fortfahren wird."

Die neue Verfassung

Zum Thema Vorbereitungsbemühungen des Parlaments für eine neue Verfassung, sagte Erdoğan, dass der Rückzug der Republikanischen Volkspartei (CHP) vom Prozess bedauerlich sei. „Niemand ist verpflichtet irgendetwas zuzustimmen. Doch sollte alles diskutiert werden", sagte er und verwies dann auf die früheren Einwände der Opposition, die die Regierung daran hinderte, dass keine politische Partei geschlossen wird.

Über mögliche Hinderungen der Opposition einen von der Regierung vorbereiteten Entwurf der Charta, zu verhindern, um eine parlamentarische Zustimmung zu bekommen, sagte Erdoğan: „Wenn dies passiert, wird die Öffentlichkeit sehen, dass die Regierung getan hat, was sie tun konnte, während die Opposition, im Gegensatz zu ihren Wahlversprechen, alles tat, um eine neue Verfassung zu verhindern."

Israelisch-türkische Verbindungen

Das Tauen auf diplomatischer Ebene mit Israel sei noch ein laufender Prozess, sagte Erdoğan, der beendet werden würde, wenn Botschafter ernannt werden. Während sich Israel entschuldigte, die Mavi Marmara-Flottille überfallen zu haben, die Hilfe für den Gaza-Streifen transportierte, und eine Vereinbarung über die Entschädigung der Opfer des Überfalls kurz vor dem Abschluss steht, ist die wichtigste Voraussetzung für das diplomatische Auftauen, die Aufhebung der Blockade des Gaza-Streifens, die immer noch verhandelt wird.

Er sagte, dass die Linderung des riesigen Energiedefizits in Gaza die Priorität sein sollte. Dies kann mit einer Verbindung zu einem Energieschiff oder dem Bau eines Erdgas-Kraftwerks gewährleistet werden. „Wir, als die Türkei, können in dieser Hinsicht helfen. Es gibt auch ein Wasserproblem, das mit einer Entsalzungsanlage angegangen werden könnte. Es gibt auch Krankenhaus- und Schulprobleme. Wir erhalten positive Signale bei allen Diskussionen. Wir erwarten bestärkende Schritte zu diesen Angelegenheiten. Sobald diese beendet sind, wird der Rest folgen."

Der Wandel der USA zu der PYD

Zum Thema der fortgesetzten Weigerung der US-Regierung, die PKK, die sie als Terrororganisation anerkennen und ihren syrischen Partner PYD, als ein und dasselbe anzusehen, sagte Erdoğan, dass bei jüngsten Gesprächen zwischen dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und dem US-Außenminister John Kerry, die türkischen Beamten den Eindruck hatten, dass die USA ihre Haltung gegenüber der PYD änderten.

Erdoğan fügte hinzu, dass er die Angelegenheit mit US-Präsident Barack Obama noch diesen Monat bei seinem Besuch in Washington, diskutieren werde. „Natürlich ist der Zustand unserer Region sehr ernst. Wir werden diskutieren, wie wir die Region in eine positive Richtung mit all unserer Macht bringen können. Der Ministerpräsident (Ahmet Davutoğlu) wird den Iran besuchen. Dies ist eine sehr wichtige Reise. Ich hoffe, dass er mit ermutigenden Nachrichten zurückkehren wird", sagte er.

Syrien und Europa

Bei der Nachfrage zum Waffenstillstand in Syrien, wies Erdoğan ab. „Die Zahl der Todesfälle nimmt zu. Bald wird es 500.000 Tote geben", sagte er, und fügte hinzu, dass die russische Entscheidung, ihre militärische Präsenz und Unterstützung für das Assad-Regime zu erhöhen, mit ihren Zielen übereinstimmt.

Er sagte auch, dass es ernste Fragen über die Aufrichtigkeit Europas in der Lösung der Flüchtlingskrise gibt. „Sie versprachen der Türkei 3 Milliarden Euro. Sie haben noch nichts geschickt. Die 10 Milliarden Euro, die wir für die Krise ausgegeben haben, sind nur die Ausgaben des Staates. Es beinhaltet nicht die Gelder der Nichtregierungsorganisationen, den Gemeinden oder Einzelpersonen. Stellen sie sich vor, es gibt allein in Istanbul zwischen 400.000 und 500.000 Flüchtlinge. Es gibst 130.000 Flüchtlinge in Kilis, wo es nur 98.000 Einheimische gibt. Die Hilfe von außen beträgt etwa 450.000-460.000 Dollar."

Afrika und die Türkei

Erdoğan fasste auch seinen Besuch in Westafrika zusammen. Er besuchte Ghana, die Elfenbeinküste, Nigeria und Guinea und teilte seine Hoffnung mit, dass die unterzeichneten bilateralen Abkommen zu höheren diplomatischen und Handelsbeziehungen führen.
Er sagte, dass die türkischen Geschäftsleute, die ihn begleiteten, wollten, dass die Eximbank die Handels- und Investitionsbeziehungen in der Region verstärkt. „Trotz der Kampagne der Gülen-Bewegung in der Region, sind unsere Geschäftsleute und Agenturen entschlossen, große Dinge zu schaffen", sagte er.

Die letzte Etappe seiner Reise in Guinea betreffend, sagte er, dass es viele Anfragen seitens der Türkei gegeben hat. „Wir werden die alten öffentlichen Busse schicken, die früher in Istanbul genutzt wurden. Wir werden auch die Einheimischen ausbilden, um diese aufrechtzuerhalten und zu reparieren. Wir schlugen ihnen auch vor, das Metrobus-System von Istanbul zu studieren."

Er sagte, dass er auch Spitzenfunktionären vorgeschlagen habe türkische Unternehmen anzuheuern, um Öl- und Gas-Raffinerien in Nigeria zu bauen, um ihre Gewinne zu erhöhen. Es gab auch Anreize zur Kooperation in der Verteidigungsindustrie.

Wirtschaft

Erdoğan sagte, dass die türkische Wirtschaft über 4 Prozent weiterwachsen werde, und berief sich damit auf den kürzlich veröffentlichten Bericht von Moodys. Er gab zu, dass es auch Probleme gäbe, wie den schrumpfenden Devisenreserven. „Die Regierung muss Maßnahmen ergreifen, es auf 130 Milliarden Dollar zurück zu erhöhen. Zu dem Punkt, wo es war, als ich das Amt des Ministerpräsidenten verließ."

Er kritisierte auch die hohen Zinsen, die er als großes Hindernis für höhere Investitionen ansieht. „Die Investitionen müssen, ganz gleich wie, fortgesetzt werden. Wenn es Investitionen gibt, gibt es Beschäftigung, Produktion, Wettbewerb und Wachstum."

Galatasaray Verbot

Er sprach auch über die UEFA-Entscheidung Galatasaray zu sperren. Galatasaray wird im nächsten Jahr an den europäischen Vereinsmeisterschaften nicht teilnehmen können, da sie die finanziellen Auflagen nicht befolgten. Erdoğan sagte, dass die Einzelpersonen bestraft werden sollten, nicht der Verein. „Vereinspräsidenten oder die zuständigen Beamten sollten bestraft werden, nicht die Vereine selbst. Sobald ein Verein bestraft wird, bestraft man ihre 20 oder 25 Millionen Fans. Das Verbot von Fenerbahçe war genauso. Diese Mentalität ist fehlerhaft. Ich hoffe, dass Vorschläge berücksichtigt werden und Einzelpersonen, nicht die Vereine, in Zukunft bestraft werden."

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