Die Entscheidung des ehemaligen Präsidenten Abdullah Gül, seinen Namen als möglichen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zurückzuziehen, beruht auf dem Versäumnis der Oppositionsparteien, einen breiten Konsens herzustellen. Dies besiegelte gleichzeitig das Ende der Suche nach einen gemeinsamen Kandidaten.
Gül hatte in seiner Erklärung seinen Wunsch indirekt bekundet, gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan kandidieren zu wollen - was er aber letztendlich nicht tat. Dieser Wunsch zeigt, wie weit er von der Mentalität der AKP Partei entfernt ist.
Der Wunsch der Opposition, bei den Parlamentswahlen eine Art Zusammenarbeit anzustreben, ist noch nicht beendet.
Also, was ist sein Plan?
Sein Hauptziel ist es, sicherzustellen, dass die Opposition eine parlamentarische Mehrheit gewinnt, Präsident Erdoğan die Hände bindet und gleichzeitig sein Argument bekräftigt, dass die neue Exekutivpräsidentschaft nicht funktionieren kann. Er glaubt, dies erreichen zu können, indem er einen sympathischen Kandidaten hervorbringt und im Wahlkampf aggressive Reden gegen Erdogan schwingt.
Er möchte die Dualität eines verärgerten Erdoğan gegen einen ruhigen Kandidaten mit wirtschaftlichen Kompetenzen schaffen. Auf diese Weise will er Erdoğans Energie gegen Erdoğan selbst einsetzen. Er will mit diesem „ruhigen" Kandidaten und einer parlamentarischen Mehrheit auch eine Rückkehr in das parlamentarische System erreichen. Dies ist der Grund für die Entscheidung, eine Wahlkoalition mit der Iyi-Parti, der SP und der DP zu bilden.
Kılıçdaroğlu schwimmt mit seinen Träumen gegen den Strom. Er ignoriert die Tatsache, dass sich das türkische Regierungssystem seit 2007 Schritt für Schritt in ein Präsidialsystem verwandelt hat. Der erste Schritt war die Entscheidung, den Präsidenten direkt wählen zu lassen – 2014 folgte die die Direktwahl des Präsidenten durch das Volk. Der letzte Schritt war die Verabschiedung des Präsidialsystems beim Referendum vom 16. April 2017.
All dies wurde dank eines vertrauenswürdigen Entscheidungsträgers wie Erdoğan ermöglicht. Einen Kandidaten zu nominieren, nur um das System wieder zur Diskussion zu stellen, ist nichts anderes als ein Eingeständnis politischer Schwäche – zumal das Volk sich bereits für das neue Präsidialsystem entschieden hat.
Erdogan wird nun um die Unterstützung seiner Wähler bitten, und dann das umzusetzen, worüber bereits abgestimmt wurde. Die Menschen wollen eine Veränderung und nun gilt es, die notwendige Infrastruktur zu implementieren und Stabilität zu institutionalisieren.
Auf der anderen Seite wird die Opposition die Wähler bitten, die Uhr zurückzudrehen und ihr Recht aufzugeben, den Präsidenten direkt zu wählen. Heutzutage bedeutet ein parlamentarisches System Unsicherheit und Chaos.
Eine parlamentarische Mehrheit ist ein Muss, um die notwendige Transformation in ein vollwertiges Präsidialsystem umzusetzen. Ein voll funktionsfähiges System wird viele zukünftige Probleme beseitigen.
Aus genau diesem Grund ist es nicht genug, Erdoğan als Exekutivpräsidenten zu wählen. Die Partei muss auch ihr Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass sie eine Mehrheit im Parlament bilden kann. Nachdem nun die Kandidaten aufgestellt sind, beginnt der eigentliche Wahlkampf.