Die Landesbeamten in Baden-Württemberg haben einer Studie zufolge durch eine "Selbstgleichschaltung" und einen "kollektiven politischen Opportunismus" die Durchsetzung der NS-Diktatur auf regionaler Ebene erst ermöglicht. Die Landesministerien handelten dabei oftmals eigenverantwortlich und hatten entgegen bisheriger Annahmen "durchaus Handlungsspielräume", heißt es in der von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) am Montag in Stuttgart vorgestellten Untersuchung.
Die Kommission zur Erforschung der Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus kommt in einer ersten Bewertung zu dem Ergebnis, dass die "teils zurückhaltende, teils willfährige, teils skrupellose Mitwirkung zahlreicher Landesbediensteter an der nationalsozialistischen Herrschaftspraxis die Durchsetzung und Ausgestaltung des 'Dritten Reichs' vor Ort, im sozialen und regionalen Nahbereich, erst ermöglicht hat", erklärte der Projektleiter Wolfram Pyta von der Universität Stuttgart.
Der Wissenschaftler Edgar Wolfrum von der Universität Heidelberg verwies darauf, dass es nach 1945 in den Ministerien keinen demokratischen Neuanfang gegeben habe, weil "ein administrativer Elitentausch ausgeblieben" sei. Einer großen Zahl von NS-belasteten Ministerialbeamten sei die Rückkehr in den öffentlichen Dienst Baden-Württembergs und seiner Vorgängerländer gelungen. Dies sei aber "keine südwestdeutsche Besonderheit, sondern der bundesweite Normalfall" gewesen, erklärte Wolfrum.