Bei Protesten von Regierungsgegnern in Moskau sind am Samstag nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mehr als 300 Demonstranten festgenommen worden.
Die Polizei führte bereits vor Beginn der nicht genehmigten Kundgebung dutzende Teilnehmer ab, wie ein AFP-Reporter aus der russischen Hauptstadt berichtete. Die Proteste richteten sich gegen den Ausschluss von Oppositionskandidaten bei der Kommunalwahl in Moskau. Einige von ihnen wurden kurz vor der Demonstration in Gewahrsam genommen.
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info wurden innerhalb von einer Stunde mindestens 317 Demonstranten festgenommen. Ein AFP-Journalist vor Ort beobachtete, wie die Polizei mindestens 70 Menschen in Gewahrsam nahm.
Zahlreiche Oppositionskandidaten waren kürzlich wegen angeblicher formaler Mängel von den Kommunalwahlen in Moskau ausgeschlossen worden. Dagegen protestierten vor einer Woche mehr als 20.000 Menschen in der russischen Hauptstadt - es war die größte Demonstration seit Jahren.
Für Samstag mobilisierte die Opposition ihre Anhänger trotz eines Demonstrationsverbots der Behörden zu weiteren Protesten. Im Online-Netzwerk Facebook hatten fast 11.000 Menschen Interesse an einer Teilnahme bekundet. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin bezeichnete die Demonstration als "Bedrohung für die Sicherheit" in Moskau und kündigte ein entschlossenes Vorgehen der Sicherheitskräfte an.
Die Polizei riegelte den Platz vor dem Moskauer Rathaus ab. Dort sollte die Demonstration ursprünglich stattfinden. Die Teilnehmer der Kundgebung wichen daher auf die angrenzenden Straßen aus. "Das ist unsere Stadt" und "Wir wollen freie Wahlen", riefen die Demonstranten. "Ich hatte mein ganzes Leben lang Angst, aber genug ist genug", sagte die Rentnerin Elena Rastowka. "Wenn wir zu Hause bleiben, wird sich nichts ändern."
Bereits im Vorfeld hatten die Behörden ihr Vorgehen gegen die Opposition verstärkt. Oppositionsführer Alexej Nawalny wurde am Mittwoch zu 30 Tagen Haft verurteilt, weil er zu neuen Protesten aufgerufen hatte.
Oppositionspolitiker wie Ilja Jaschin, Iwan Schdanow, Ljubow Sobol und Dmitri Gudkow wurden kurz vor Beginn der Kundgebung am Samstag in Gewahrsam genommen. Am Freitagabend hatten Polizisten bereits mehrere Wahlkampfbüros von Verbündeten des Kreml-Kritikers Nawalny durchsucht. Dies sei "dreister und unrechtmäßiger Druck auf die Opposition inmitten des Wahlkampfs", schrieb Jaschin, der bei dem Urnengang im September nicht antreten darf, im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Gudkow forderte die Russen auf, trotz der Repressalien weiter für freie und faire Wahlen zu kämpfen. "Wir reden nicht mehr über unsere Mandate", sagte er am Freitag. "Wenn wir jetzt verlieren, wird es Wahlen als politisches Instrument nicht mehr geben und der Unterdrückungsapparat wird das Land ins Jahr 1937 zurückwerfen", fügte er mit Blick auf den Höhepunkt der Stalin-Diktatur hinzu.