Nach der Koalitionseinigung auf Maßnahmen gegen Diesel-Fahrverbote warnen die Kommunen vor Verzögerungen.
«Jetzt muss die Umsetzung zügig und unbürokratisch erfolgen. Das gilt insbesondere für die notwendigen Nachrüstungen», sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
«Die Umsetzungsgeschwindigkeit wird auch darüber entscheiden, ob weitere Fahrverbote vermieden werden können.» Wichtig sei, «dass die Hersteller ihre Verantwortung - auch finanziell - anerkennen.
Auch der Deutsche Städtetag rief die Autoindustrie auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und die Nachrüstungskosten in voller Höhe zu übernehmen. «Es ist unbegreiflich, wenn wenige Stunden nach dem Kompromiss ein Hersteller erklärt, er mache bei der Nachrüstung nicht mit», sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Donnerstag). Grundsätzlich zeigte sich Dedy zuversichtlich, dass sich die Luftqualität durch die Koalitionsbeschlüsse verbessern werde. Unklar bleibe aber, wie rasch die Maßnahmen wirkten und ob sie reichten, um Fahrverbote abzuwenden.
Die Koalition hatte sich nach langem Streit auf ein Paket geeinigt, um Diesel-Fahrverbote in Städten mit hoher Schadstoffbelastung zu verhindern. Es sieht Anreize zum Kauf neuer Wagen vor. Für umstrittene Motor-Nachrüstungen bei älteren Autos fehlen noch grundlegende Zusagen der Autobauer. Von den Programmen sollen vorerst Besitzer von bis zu 1,4 Millionen Diesel-Pkw profitieren.
Hersteller wie BMW oder Opel lehnen Nachrüstungen ab. Volkswagen und Daimler hingegen wollen sich an Nachrüstungen beteiligen, sofern zertifizierte und zugelassene Systeme existieren. Volkswagen machte noch zur Bedingung, «dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen». Auch bei den ausländischen Herstellern sieht man Nachrüstungen kritisch.
Aus Sicht des Städtebundes darf das Maßnahmenpaket der Koalition nur ein erster Schritt sein, weitere müssten folgen. «Auch Dieselfahrer, die nicht in den betroffenen Städten oder den umliegenden Landkreisen leben und oder arbeiten, haben auf die Zusage der Hersteller vertraut, mit ihrem Fahrzeug ein besonders umweltfreundliches Auto zu erwerben», sagte Landsberg. «Deswegen müssen auch diese Personen in einem zweiten Schritt auf die gemachten Angebote zugreifen können.»
Aus Sicht Dedys bedeutet es viel bürokratischen Aufwand, wenn im Falle von Fahrverboten die Kontrolle der einzelnen Autos allein über die Kennzeichen und ohne «Blaue Plakette» erfolgen solle. Für Polizei und Ordnungsbehörden, aber auch Dieselfahrer hielten die Städte eine «Blaue Plakette» weiterhin für sinnvoll.
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) zeigte sich überzeugt, dass die Autohersteller die technische Nachrüstung bezahlen werden. «Das ist jetzt die Verantwortung der Industrie, dass wir mit diesem Kompromiss hinter das ganze Thema Diesel-Skandal, Schummel-Software, Innenstadt-Problematik mal einen Haken machen können», sagte er dem Radiosender FFH Es werde kein anderes Angebot mehr geben, und der «Druck bleibt voll auf den Herstellern», sagte Braun: «Da haben wir das Go, dass sie das bezahlen», sobald die Umrüstung praktisch möglich sei, versicherte Braun.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte Korrekturen am Konzept der Koalition. «Es geht nicht mehr nur um saubere Luft, sondern um Vertrauen in Politik», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nötig sei eine Verkehrswende. Dazu gehörten auch ein Ausbau von Bussen und Bahnen sowie Fahrradwegen und klare Vorgaben für die Autoindustrie bei den Grenzwerten.
Die EU-Kommission, die im Mai wegen der schlechten Luft in deutschen Städten eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Bundesregierung angekündigt hatte, wollte sich zu den Berliner Diesel-Plänen zunächst nicht äußern. Es handele sich um ein komplexes Paket, das nicht auf die Schnelle zu bewerten sei, sagte ein Sprecher in Brüssel. Die Klage der Kommission gegen Deutschland ist nach Angaben eines EuGH-Sprechers noch nicht beim Gericht in Luxemburg eingegangen. Eine Frist von Monaten bis zur Einreichung der Klage sei nicht ungewöhnlich, dies liege im Ermessen der Kommission.