Nach mehr als einem Jahr in U-Haft hat der «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel nach Angaben seiner Zeitung das Gefängnis in der Türkei verlassen. Yücel sei frei, schrieb die «Welt» bei Twitter.
«Jetzt müssen wir natürlich abwarten, was in den nächsten Minuten, Stunden passiert», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel rechnet fest damit, dass Yücel sehr bald das Land verlassen darf. Das sagte er am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sitzen derzeit noch fünf Deutsche in der Türkei in Haft. Ihre Namen werden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt. Die Bundesregierung fordert ihre Freilassung.
Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, die Freilassung Yücels sei von einem türkischen Gericht nach der Vorlage einer Anklageschrift durch die Staatswaltschaft angeordnet worden. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft habe bis zu 18 Jahre Haft für den «Welt»-Korrespondenten gefordert. Das Gericht habe die Anklageschrift angenommen und dann Yücels Freilassung angeordnet.
Aus türkischen Behördenkreisen hieß es, die Freilassung sei «vollständig nach rechtsstaatlichen Prinzipien» erfolgt. «Es hat keinerlei politische Einmischung gegeben.»
Der Fall war zuletzt der größte Streitpunkt im Verhältnis zur Türkei. Yücel hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der Justiz gestellt und war kurz darauf in Untersuchungshaft genommen worden. Anschließend wurde gegen ihn wegen Terrorvorwürfen Untersuchungshaft verhängt.
Bundesaußenminister Gabriel (SPD) äußerte sich in einer Mitteilung erleichtert. «Ich freue mich sehr über diese Entscheidung der türkischen Justiz. Und noch mehr freue ich mich für Deniz Yücel und seine Familie. Das ist ein guter Tag für uns alle», betonte Gabriel. Er dankte auch der türkischen Regierung für ihre «Unterstützung bei der Verfahrensbeschleunigung». Er habe in den vergangenen Monaten viele direkte Gespräche mit der türkischen Regierung zur Beschleunigung des Verfahrens geführt. Dazu gehörten auch zwei Treffen mit Erdogan.
Die türkische Regierung habe immer Wert darauf gelegt, dass sie keinen politischen Einfluss auf die Gerichtsentscheidung nehmen werde, sagte Gabriel. Die Unabhängigkeit der Gerichtsentscheidung war immer zentrales Anliegen in allen Gesprächen. «Zwei Menschen möchte ich besonders danken: dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavosoglu, der diese Kontakte und Gespräche und vor allem die Beschleunigung des Verfahrens deutlich gemacht hat. Und der deutschen Bundeskanzlerin für ihr Vertrauen in die Arbeit des Auswärtigen Amtes in diesem schwierigen Fall. Ich bin sehr froh über diesen Ausgang.»
Noch am Donnerstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Berlin betont, «dass dieser Fall eine besondere Dringlichkeit für uns hat». Yildirim äußerte bei dem Treffen lediglich die Hoffnung auf einen baldigen Gerichtsprozess. Einen möglichen Termin für das Vorlegen einer Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft und für den Beginn eines Verfahrens nannte er aber nicht.
Im Oktober hatte ein türkisches Gericht die Freilassung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner verfügt und keine Ausreisesperre verhängt. Er konnte nach Deutschland zurückkehren, obwohl der Prozess gegen ihn weiterläuft. Steudtners Freilassung - und auch die der Übersetzerin Mesale Tolu - hat zu einer leichten Entspannung des deutsch-türkischen Verhältnisses geführt.