Istanbuls Katzen sind genauso populär wie die Hunde dort. Heutzutage hat sich das Füttern von Straßenkatzen als neuer Zeitvertreib etabliert. Wenn diese Leute auf die Straße gehen, versammeln sich alle Katzen aus der Nachbarschaft um sie herum und öffnen ihre hungrigen Mäuler, als ob eine offizielle Mobilmachung erklärt wäre. Sie sind weit davon entfernt auf die Jagd zu gehen, um Ratten zu fangen - geschweige denn durch den Müll zu stöbern.
Das Kind des Hauses
Mäuse waren die unerwünschten Bewohner traditioneller, alter Holzhäuser - Katzen waren zugleich ihre Todfeinde. In der Vergangenheit war ein Haus ohne Katze undenkbar. Nicht jede Katze kann Mäuse fangen. Katzen, die nicht instinktiv jagten, wurden mit den Jägern unter ihnen zusammengebracht, so dass sie sich in kurzer Zeit an den Job gewöhnten.
Katzen wurden nicht nur gefüttert, um Mäuse zu fangen, sondern auch, damit sie als Freunde dienten - so waren Katzen seit jeher mit Kindern und älteren Menschen eng verbunden. Vor allem Menschen, die von ihren Verwandten oder Freunden keine Loyalität sahen, oder Menschen, die keine Kinder hatten, zeigen den Katzen ihre Liebe und ihr Mitgefühl. Prinz Şerefeddin Efendi wurde einst aus seiner Heimat verbannt, man zwang ihn, alleine in Beirut zu leben. Seine Katze war dort sein lebenslanger Begleiter – von ihr wurden die Nachbarn dann auch später von seinem Tod benachrichtigt.
Jede Hauskatze ist ein bisschen wie das Kind des Hauses. Wenn jemand im Haushalt einem Kind ein bisschen mehr Interesse zeigt, werden sie eifersüchtig. Es gab Menschen, die sich um Dutzende und sogar Hunderte Straßenkatzen kümmerten und sie fütterten. In den Geschichten, in denen es sich bei den Protagonisten um Geister handelt, tauchen sie zumeist in der Gestalt von Katzen auf.
Katzen sind schlaue Tiere mit starken Sinnen. Selbst wenn sie meilenweit weg sind, können sie ihren Weg nach Hause finden. Der allgemeinen Ansicht nach sind Katzen undankbar, während Hunde für ihre Loyalität bekannt sind. Die Religionsgelehrten achten jedoch die Katzen, da diese ihre Nahrung ihrer Ansicht nach von Gott erwarten, ohne jemandem Dankbarkeit zu zeigen. Hunde hingegen werden mit der Begründung, sie könnten ihre Besitzer „Beschmutzen", vorsichtiger betrachtet.
Im Islam wird nicht mal die durch Katzenurin befleckte Kleidung als unrein gesehen, während beim Hund schon allein der Speichel als schmutzig angesehen wird und wenn der auf die Kleidung gelangt, darf man darin nicht mehr beten, so lange der Fleck nicht gereinigt wird. Nach der Denkschule der Schāfiiten muss dieser Fleck sogar siebenmal gereinigt werden, damit man in der Kleidung wieder beten kann.
Katzen und Menschen
Die Vorliebe des Propheten Mohammed für Katzen wird in vielen seiner Hadithe überliefert: „Zuneigung für Katzen ist Teil des Glaubens." Eine Katze zu lieben ist also ein Anzeichen dafür, dass jemand ein Gläubiger ist. Als der Prophet Mohammed während des Uhud-Feldzugs auf eine schwarz-weiße Abessinierkatze stieß, die ihr Kätzchen stillte, änderte er den Kurs seiner Soldaten. Auf dem Rückweg adoptierte er diese Katze und gab ihr den Namen „Muezza". In einer anderen Überlieferung neigt er leicht seine Tasse, damit eine vorbeikommende Katze etwas Wasser trinken kann.
Ein Gefährte des Propheten Mohammed erhielt den Namen Abu Hurairah, was „Vater der Katzen" bedeutet. Abu Hurairah erhielt diesen Namen, weil er, wo auch immer er hinging, immer eine Katze bei sich hatte. In einer anderen Erzählung streichelte der Prophet Mohammed den Rücken einer Katze, weil sie eine Schlange erwürgt hatte, die jemandem Schaden zufügen wollte. Deshalb landen Katzen laut Legende beim Fallen auf vier Füßen und nicht auf dem Rücken.
Der Spitzname von Pir Asad, einer von Rumis Kalifen, der für seine Liebe zu Katzen bekannt war, erhielt den Spitznamen „Pisili Sultan" (Sultan mit Kätzchen). Als seine geliebte Katze starb, ließ er sie direkt neben seinem Fuß vergraben.
Man sagt, dass einst die Katze von Ahmed Rufah auf dessen Armen einschlief. Als die Zeit für das Freitagsgebet gekommen war, wollte er die Katze nicht stören, also schnitt er den Ärmel seines Umhangs ab, anstatt sie zu wecken.
Der Hadith des Propheten: „Erbarme dich der Geschöpfe Allahs, damit Allah dir gnädig ist" wurde in vergangenen Zeiten immer hoch gehalten. Der Prophet soll erzählt haben, dass eine Frau, die eine Katze einsperrt und sie verhungern lässt, in die Hölle geschickt werde, während eine Prostituierte, die einem vor Durst sterbenden Hund Wasser spendet, Vergebung erhalte.
Katze des Meisters
In Damaskus gibt es eine Moschee namens Masjid al-Qitat. „Qitat" bedeutet auf Arabisch „Katzen". Sie ist zugleich eine Stiftung, die gegründet wurde, um die Straßenkatzen zu schützen. Der Hausmeister der Moschee kauft mit dem Einkommen der Stiftung Leber und füttert damit täglich Hunderte Katzen.
Auch Ismail Saib Sencer, der ehrwürdige Direktor der Bayezid Bibliothek in Istanbul, fütterte zu seinen Lebzeiten Hunderte Katzen. Aus diesem Grund wurde die Bayezid Bibliothek „Die Katzenbibliothek" genannt.
Es gibt so viele Katzenarten, sie alle stammen von der gleichen Art ab, so auch Löwen und Tiger. Einige von ihnen sind unglaublich schön, und es bereitet den Menschen großes Vergnügen ihr Fell zu streicheln.
Ismet Sungurbey, ein ehemaliger Rechtsgelehrter aus Istanbul, fütterte Hunderte Katzen im Garten seiner Schule. Später schrieb er ein Buch mit dem Titel „Hayvan Hakları" (Tierrechte).
Arndt, ein Chemieprofessor an der Universität Istanbul, lehrte häufig mit seiner Katze auf der Schulter. Die Katzen, die bei ihm ungestört herumlaufen und schlafen konnten, wo immer sie wollten, nannten wir die „Katzen des Meisters".
Es gab aber auch immer schon Leute, die Katzen nicht besonders liebten, dies konnte verschiedene Gründe haben. Sultan Abdülmecid war allergisch gegen Katzen, er wollte sich daher mit keiner im selben Zimmer befinden. Dies geht auf ein Ereignis zurück, wo er eines Morgens, während er den Koran rezitierte, eine Weile ausging - als er zurückkam, soll er gesehen haben, dass eine Katze die Seiten zerkratzt und befleckt hatte. Dies war wohl das letzte Mal, dass er erneut in die Nähe von Katzen kam. Als er und seine Männer einmal in den Beykoz-Palast eintraten, kam eine Katze heraus, um die Gäste zu begrüßen, Sultan Abdülmecid befahl daraufhin seinen Männern sofort „umzukehren". Sein Sohn Sultan Abdülhamid jedoch verehrte Katzen, er besaß eine weiße langhaarige Katze namens „Agha Effendi".
Requiem für Katzen
Als das Leben in der Wohnung begann, gingen die glorreichen Tage der Katzen zu Ende. Aktuell sind viele Häuser nicht zur Haltung von Katzen geeignet. Katzen sind saubere Tiere, aber sie wollen ein Haus mit Garten. Jetzt, wo Katzen als Spielzeug dienen, befinden sie sich in einem Zustand der ihrer wahren Natur widerspricht. Auch wenn der Islam Mensch und Tier aus Prinzip nicht sterilisieren lässt, müssen viele Katzen diese Operation über sich ergehen lassen – nur damit sich die Besitzer wohlfühlen.
Katzen haben auch ihren Platz in der orientalischen Literatur. Ein Dichter namens Maali, der zur Zeit von Sultans Süleyman dem Prächtigen lebte, schrieb ein Requiem für Katzen. Namık Kemal, einer der berühmten Dichter des 19. Jahrhunderts, schrieb ein ähnliches Gedicht, das die Vorzüge und Überlegenheit von Katzen mit humorvoller Sprache beschreibt.
Viele Geschichten, Witze und Sagen erzählen von Katzen. In einer Geschichte wird erzählt, dass die Frau von Hodscha Nasreddin eines Tages 3 Kilo Leber kochte und dann alleine verschlang. Die Leber hatte jedoch ihr Mann gekauft, sie war für beide gedacht. Am Abend, als Hodscha Nasreddin nach Hause kam und die Leber weg war, wurde eine Katze dafür verantwortlich gemacht. Er wog dann die Katze, um zu prüfen, ob er tatsächlich die Leber gegessen hatte. Die Waage blieb jedoch bei 3 Kilo stehen. „Dame, wenn das die Katze ist, wo ist das Fleisch? Wenn dies das Fleisch ist, wo ist dann die Katze?" fragte er seine Frau. Auch wenn Katzen berüchtigte Diebe sind, werden die armen Tiere oft zu Unrecht für fast alles verantwortlich gemacht, was verloren geht.