Der CDU-Politiker Jens Spahn steht mit seiner Offensive gegen Migranten und Flüchtlingen aktuell immer öfter im Rampenlicht. Vor kurzem gab er der „Taz" ein Interview, wo er einige seiner – teilweise sehr rechtspopulistischen - Thesen und Sichtweisen erklären konnte.
Er selbst sehe sich jedenfalls nicht als einen Populisten. Im Vorfeld hatte er sich vor allem über die „Parallelgesellschaften" und „Familienclans" beschwert. Jene hätten bereits „ganze Straßenzüge" übernommen. Es gebe sogar Straßen fast ohne Frauen „und wenn, dann mit Kopftuch". Er würde damit lediglich eine reale Situation beschreiben. „Das sind teils rechtsfreie Räume, da muss die Polizei mit einer Hundertschaft anrücken, um einen Strafzettel auszustellen."
Auf die Frage, ob Problembezirke wie Marxloh oder Neuköln tatsächlich sogenannte „No-go-Areas" wären und man die Bilder nicht drastischer präsentieren würde, als es in Wirklichkeit ist, antwortet Spahn: „Nein, das sind Tatsachen. Würden Sie sagen, dass es in Berlin oder NRW keine Gegenden gibt, in denen Frauen Angst empfinden?"
„Die hätte es aber auch vor 50 Jahren gegeben", entgegnete man ihm, woraufhin er geschickt das Thema wechselte und auf den Görlitzer Park zu sprechen kam: „Wenn ich in Berlin-Kreuzberg beim Spaziergang im Görlitzer Park mehrfach offen Drogen angeboten bekomme, dann ist das inakzeptabel. Gehen Sie mit Ihren Kindern durch den Görlitzer Park?" Die Antwort des Interview-Leiters der „taz": „Ich wohne dort, mein Sohn spielt da Fußball. Ihr Parteifreund Henkel, bis vor Kurzem Innensenator in Berlin, hat dort Law and Order praktiziert mit hunderten Polizeieinsätzen pro Jahr. Ergebnis: kein Dealer weniger."
Die CDU ist mit dafür verantwortlich, dass viele junge Menschen wegen den kleinsten Drogen-Delikten hart bestraft werden. Statt der Förderung von Drogenaufklärung und Hilfe durch anonyme Beratungsstellen, vertraut man lieber auf die Härte der Justiz, die jedoch selber oft darüber klagt, wertvolle Zeit, die bei wichtigeren Fällen notwendig ist, für folgenlose Anzeigen zu verschwenden, die zudem oft von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen werden.
Die eingesparten Kosten könnten in anderen Bereichen eingesetzt werden. Jens Spahn sieht die Sache eher durch die Brille der CDU: „Wir haben offenkundig ein Problem, Recht durchzusetzen. Es gibt Drogendealer, die als zigfache Wiederholungstäter ein paar Stunden nach der Festnahme wieder frei sind, weil der Richter sagt: Fester Wohnsitz, Verfahren ist in ein paar Monaten, kann erst mal wieder gehen. Wir brauchen aber klare Ansagen, gerade an Täter, die aus ihren Heimatländern eine weniger zimperliche Polizei gewohnt sind." Er fordert eine weitere Verschärfung des Rechts und wenn es nach ihm geht, sollen die vermeintlichen Täter direkt bestraft werden. In anderen Fällen, vor allem in der Türkei, kritisiert man genau das Gegenteil. Untersuchungshaft und konkrete Urteile in schweren Delikten wie „Terrorismus" sind permanent aufgeführte Kritikpunkte der CDU. Dann werden Schlagworte wie „Demokratie" oder „Menschenrechte" hochgehalten.
Das ambivalente Verhalten der Union zeigt sich besonderns auch dann, wenn es um die Droge Alkohol geht. Kaum ein Festzelt der Union, wo keine großen Bierkrüge hochgehalten werden. 2008 sagte noch CSU-Poliker Günther Beckstein bei einer Festzeltrede in Bayern, dass Autofahren nach dem Genuss von zwei Maß Bier in sechs, sieben Stunden noch akzeptabel sei.
„Und wer 50 Euro Steuerschulden hat, steht mit einem Bein im Gefängnis." heißt es dann noch am Schluss seiner Schilderung. Steuerbetrug scheint dem CDU-Politiker nichts auszumachen. Dabei schadet man doch mit dem Betrug der ganzen Gesellschaft.
Gleiches denken sich wohl auch die Korrespondenten der „taz": „Der brave Bürger wird wegen Kleinigkeiten belangt, der migrantische Drogendealer läuft frei herum – das ist Populismus, Herr Spahn." Migranten würden bei ihm nur als Probleme auftauchen, als Gefährder der Sicherheit, als Bedrohung, die man kontrollieren müsse.
„Vorbehalte gegen Menschen, die anders sind als man selbst, bauen sich meist nur durch den direkten persönlichen Kontakt ab. Aber wir reden zu wenig über die Probleme.", antwortet Spahn. In seinem Weltbild sind die Konservativen in Deutschland weltoffen und würden daher den persönlichen Kontakt suchen. Da wundert es auch nicht, dass er anscheinend die ganzen jahrelangen Debatten Rund um das Thema der Migranten und Asylanten übersieht, ebenso wie die immer stärker werdende und langsam gesellschaftsfähig gewordene Islamophobie. Denn zu wenig geredet wird nicht, es wird eigentlich nur geredet – wenn auch eher über, statt mit den Menschen - jedoch ohne ein tragbares Ergebnis zu erzielen. Ein Ergebnis, das konform mit der Würde der Menschen umgehen würde.
„Nicht alles, was kulturell anders ist, ist per se eine Bereicherung. Die kulturell verankerte Machokultur mancher Migranten oder Mädels, die nicht zum Schwimmunterricht gehen dürfen, passen mit unseren Werten schlicht nicht zusammen. Mir geht es da um das Grundsätzliche." führt Spahn fort und zeigt damit auch, wie fest das Weltbild der CDU mit dem „Macho-Migranten" und der „muslimischen verhüllten Schülerin" verwurzelt ist, die lieber zuhause bleibt, weil ihr Schamgefühl kulturbedingt eventuell etwas höher angesiedelt ist und sie sich dann vielleicht doof vorkommt als Teenagerin in langen Klamotten ins Wasser gehen zu müssen. Statt dessen könnte sie einfach den Schwimmunterricht theoretisch bearbeiten und dafür benotet werden. Dieses Recht könnte allen Schülern zugestehen. Niemand würde dadurch benachteiligt, aber auch niemand in seiner Würde verletzt werden.
Dann kommt natürlich auch seine Sichtweise über die Moscheen zu Tage. Denn von denen, die von einem Großteil der Muslime besucht werden, hat er kein gutes Wort über: „Denn was in den Moscheen stattfindet, ist zu oft nicht auf Integration und Offenheit gegenüber unserer Gesellschaft angelegt, sondern auf Abschottung gegen die angeblich Ungläubigen.". Wie viele Predigten er sich bis heute vor Ort angehört hat und welche Moscheen er besucht hat, bleibt offen. Viele Muslime könnten ihm sicher von anderen Erfahrungen berichten. Denn die Moscheen fördern nicht nur das Zusammenleben unter den Muslime, sie sind auch offen für Besucher und stehen im Dialog mit anderen Glaubensgemeinschaften. Sie sorgen auch dafür, dass jugendliche, die aus der Bahn geraten oder kriminell geworden sind, wieder „sozialisiert" und befriedet werden. Denn eine geistig gestärkte Persönlichkeit kommt mit den Anforderungen der Gesellschaft eher zurecht, als jemand, der innerliche Leere verspürt.
Auf die Frage, ob er ein Islamgesetz möchte, antwortet er: „ Integrationsgesetz, Imamgesetz, Islamgesetz – der Name ist egal." Doch dann wird ihm erwidert: „Eine Lex Islam kollidiert aber mit Artikel 4 des Grundgesetzes: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." Da steht nicht: „Die ungestörte Religionsausübung in deutscher Sprache oder so, wie die CDU sich das vorstellt, wird gewährleistet."
Spahn weicht der Frage geschickt aus und stellt wieder die Ditib in den Mittelpunkt: „Religionsfreiheit ist nichts Freischwebendes. Die Frage ist: Will Ditib als Moscheenverband ein Ableger der türkischen Religionsbehörde bleiben oder mit uns gemeinsam den Weg zu einer aus Deutschland finanzierten muslimischen Gemeinde gehen?
Und beim Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft von Migranten ist seine Haltung auch mehr als klar: „Mehrstaatlichkeit führt auf Dauer jedenfalls nicht zum Ziel. Gesellschaften funktionieren nur über Zusammenhalt und eine gemeinsame Identität." Damit setzt er auch die Mehrstaatlichkeit gleich mit der Identität und übersieht den praktischen Nutzen für die Menschen. Er beschneidet damit auch das Recht der Menschen über mehrere Identitäten zu verfügen, was durchaus den Menschen bereichern kann. Eröffnet die Doppel-Identität doch auch neue Perspektiven für die Erfahrungswelt. An jener scheint es Spahn extrem zu mangeln.