Die Vorschläge der Bildungsministerin Johanna Wanka sorgen in der deutschen Politik weiterhin für Aufsehen. Am Wochenende hatte sie offen für eine Begrenzung der Zahl von Schülern mit Migrationshintergrund in deutschen Schulklassen geworben, auch wenn sie „gegen eine starre Quote" sei. Der Anteil von Kindern müsse aber möglichst ausgewogen sein, erklärte sie gegenüber dem „Focus".
Der konservative Philologenverband schlug damals eine Quote von 35 Prozent vor. Schulklassen mit einem höheren Migrationsanteil seien „problematisch", so der Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger. Das war noch vor zwei Jahren. Dieser Vorschlag wurde jedoch von Wanka entschieden abgelehnt. Und nun – kurz vor der Bundestagswahl- die Retourkutsche.
Damit zeichnet sie zugleich ein verallgemeinerndes und veraltetes Bild des Migrantenkindes, das kein Deutsch kann und sich selbst die eigene Zukunft verbaut. Die Migrantenfamilien sollen zu Hause „mehr Deutsch" sprechen, um die „Chance zur Teilhabe und die Integration" nicht zu gefährden. Wenn es nach der Bildungsministerin geht, sind die Migranten Schuld an den Missständen der Gesellschaft. Alle Probleme würden maßgeblich aus den Sprachdefiziten resultieren. Wahrscheinlich hat sie noch nicht mitbekommen, dass die Kinder aus der zweiten und dritten Generation der Gastarbeiterfamilien bereits wesentlich bessere Deutschkenntnisse besitzen, als ihre Väter und Großeltern.
Ein wesentlich größeres Problem, das von der CDU gerne ignoriert wird, ist die oft verschlossene Gesellschaft der sogenannten „Biodeutschen", in der die Menschen mit Migrationshintergrund sich nur schwer partizipieren können. Jene werden manchmal behandelt als kämen sie von einem anderen Planeten, auch wenn sie hier geboren sind und Deutschland als ihre Heimat sehen. Wenn beispielsweise aus aktuellen Umfragen hervorgeht, dass jeder Zweite den Islam als Bedrohung ansieht, so haben es die Migranten mit muslimischen Hintergrund schwer die Mehrheit der Gesellschaft von ihre „Unschuld" zu überzeugen. Statt auf Toleranz, treffen sie auf Ablehnung.
Ralf Pauli, Redakteur für Bildung bei der „Taz", erwähnt eine Großstadt-Studie von 2013, worin 70 Prozent der Grundschulkinder mit Migrationshintergrund Schulen mit ihresgleichen besuchen. Grund dafür ist, dass deutsche Akademikereltern ihre Kinder nur ungern in Schulen schicken, die auch von einer hohen Zahl Kindern mit Migrationshintergrund besucht wird. Diese Segregation hält dann auch bei den weiterführenden Schulen an. Das ungerechte System reproduziert sich dadurch mit seiner eigenen Dynamik.
Das geht manchmal so weit, dass einige Schulen in Problembezirken den „biodeutschen" Eltern sogar anbieten, ihre Kinder in Migranten-freien Klassen zu unterrichten.
Das Problem mit der hohen Migrantenquote in deutschen Schulklassen findet ihren Ausgang also ganz woanders. Schuld sind nicht die Migranten, sondern die „biodeutschen" Eltern, die ihren Kindern separierte Bildungswege – am besten ohne Kontakt zu Schülern mit Migrationshintergrund - zeichnen wollen.