Die Empörung über zwei Vergewaltigungen - wobei in einem der Fälle angeblich auch ein Hindu-nationalistischer Politiker involviert gewesen sein soll - gipfelte am Freitag in Massenprotesten. Die Regierung versucht die Wut der Bürger einzudämmen.
Der Oppositionsführer Rahul Gandhi hielt zu diesem Anlass am Donnerstag eine Kerzenlichtmahnwache in Neu-Delhi ab - dort wo bereits im Jahr 2012 Tausende Menschen gegen eine brutale Massenvergewaltigung in der Hauptstadt demonstriert hatten.
„Wie bei Millionen von Indern schmerzt auch mein Herz heute Abend", schrieb Gandhi auf Twitter, nachdem er bei der Nachtwache am Donnerstag schätzungsweise vor 5.000 Menschen sprach. Indien dürfe seine Frauen nicht so behandeln, wie es aktuell der Fall sei.
Narendra Modi muss sich noch zu den Vergewaltigungsvorwürfen äußern, die widersprüchliche Reaktionen unter den unteren Rängen seiner eigenen „Bharatiya Janata Party" (BJP) hervorgerufen hatten. Der Ministerpräsident von Jammu und Kashmir jedoch, dessen Partei mit Modi zusammenhängt, sagte, der Mord habe „die Menschheit beschämt".
Diese Woche waren erschreckende Einzelheiten der mutmaßlichen Vergewaltigung und Ermordung der achtjährigen Muslimin, Asifa Bano, in einem hindu-dominierten Gebiet im Bundesstaat Jammu und Kashmir im Januar, öffentlich geworden. Diese stammen aus einem Polizeiprotokoll.
Nach Angaben der Polizei wurde sie von einem Schulabbrecher, einem Minderjährigen und einem Komplizen entführt. Letzterer hat sie laut Bericht gezwungen, Beruhigungsmittel einzunehmen, während sie fünf Tage lang in einem Schuppen und dann in einem Hindu-Tempel gefangen gehalten worden sei.
Während ihrer Gefangenschaft wurde sie wiederholt von jugendlichen und verschiedenen Männern vergewaltigt, darunter soll auch ein Polizeibeamter gewesen sein. Sie wurde schließlich erdrosselt und mit einem Stein erschlagen - ihr Körper wurde später im Freien in einem Waldgebiet entdeckt.
Das Opfer stammte aus einer muslimischen Familie, deren Stamm als Nomaden lebt. Alle acht Personen, die bisher verhaftet wurden, sind hingegen Hindus – was mitunter auch ein Grund für das gesellschaftliche Zerwürfnis in Indien ist.
Jammu und Kaschmir sind Indiens einzige Provinzen, die mehrheitlich von Muslimen bewohnt sind - aber die Jammu-Region im Süden, wo der Mord stattfand, bildet eine Ausnahme.
Der Fall hat die Spaltung der Gemeinschaft in der Region angeheizt. Muslimische Aktivisten verurteilen den Vorfall, den sie als Verbrechen gegen ihre Gemeinschaft betrachten. Einige Hindu-Gruppen hingegen, wollen dass die Anklage fallen gelassen wird.
Hochkarätige Namen aus der Welt des Kinos und Crickets haben indes Empörung über das Verbrechen geäußert. Laut offiziellen Angaben werden in Indien jährlich fast 40.000 Vergewaltigungsfälle gemeldet.
„Was passiert mit der Welt, in der wir leben?" schrieb Bollywood-Star Anushka Sharma, die mit dem indischen Cricket-Kapitän Virat Kohli verheiratet ist. „Diese Leute sollten die härteste Bestrafung erhalten, die es gibt!"
Cricketspieler Gautam Gambhir machte die „stinkenden Systeme" Indiens für die Vorfälle verantwortlich. Viele sprechen bereits von einer „Vergewaltigungsepidemie".
Tausende Einwohner Kaschmirs schlossen sich diese Woche den Straßenprotesten in Srinagar an, nachdem im Vorfeld vier Demonstranten bei einem Zusammenstoß mit Sicherheitskräften ums Leben gekommen waren.
Im kriminellen Norden Uttar Pradeshs hat die Bundespolizei am Freitag begonnen, den beschuldigten BJP-Abgeordneten der Legislative des Bundesstaates zu befragen, der beschuldigt wird, im Juni eine Teenagerin vergewaltigt zu haben.
Ministerpräsident Yogi Adityanath, ein aufsteigender Stern in der Partei, bat das Central Bureau of Investigation (CBI), noch diese Woche den Fall zu übernehmen. Dies geschah jedoch erst nachdem die Polizei des Bundesstaates heftig kritisiert worden war, nicht viel früher auf die Beschwerde des Opfers reagiert zu haben.
Ein Sprecher des CBI sagte, der Abgeordnete Kuldeep Singh Sengar werde am Freitag befragt, aber nicht verhaftet.
Sengars Anwalt erklärte, sein Mandant sei unschuldig und der Fall eine Verschwörung, die seiner politischen Karriere schade.
„Wir sind hier, um das Interesse unserer Töchter zu schützen, sie sind die Töchter der Nation", so Bundesminister Mahesh Sharma den Reportern am Donnerstag.
Maneka Gandhi, die Ministerin für Frauen- und Kinderentwicklung, gab an, dass ihr Ministerium plane, die Todesstrafe für die Vergewaltigung von Kindern unter 12 Jahren vorzuschlagen. Die Höchststrafe ist derzeit die lebenslange Haft.
„Ich war tief erschüttert von dem Vergewaltigungsfall in Kathua und all den jüngsten Vergewaltigungsfällen mit Kindern, die sich zugetragen haben", sagte Maneka Gandhi in einer Videobotschaft.
Als Reaktion auf den Ausbruch von nationaler Scham und Wut nach dem Fall in Neu-Delhi im Jahr 2012 verschärfte die damals vom Kongress geführte Regierung die Gesetze gegen Verbrechen gegen Frauen.
Indien registrierte 2016 etwa 40.000 Vergewaltigungsfälle, gegenüber 25.000 im Jahr 2012, heißt es in den jüngsten Daten. Menschenrechtsaktivisten behaupten, die Dunkelziffer sei viel höher. Tausende mehr würden sich nicht trauen, die Fälle zu melden, um nicht stigmatisiert zu werden.