SPD geht gegen Nominierung von der Leyens auf die Barrikaden

AP

Die Nominierung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin hat neuen Krach in der Koalition ausgelöst.

SPD-Politiker kritisierten, mit dem Vorschlag werde das europäische Spitzenkandidatensystem quasi beerdigt und die Demokratie beschädigt.

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel sah sogar einen Grund für seine Partei, die Regierung zu verlassen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hielt der SPD vor, ihr gehe es «um das eigene parteipolitische Interesse». CSU-Chef Markus Söder nannte das Verhalten der SPD «eine echte Belastung für die Koalition».

Von der Leyen war am Dienstag von den EU-Staats- und Regierungschefs als Kommissionspräsidentin nominiert worden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) musste sich in Brüssel enthalten, weil die SPD den Vorschlag nicht mittragen wollte. Von der Leyen muss im EU-Parlament gewählt werden. Die Wahl könnte in der Woche ab dem 15. Juli über die Bühne gehen.

In der regulären Kabinettssitzung unter Merkels Leitung in Berlin spielte die Empörung bei den Sozialdemokraten keine Rolle. Drei SPD-Minister fehlten dort: Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz, Außenminister Heiko Maas und Arbeitsminister Hubertus Heil haben schon ihren Urlaub angetreten. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, Merkel habe über den EU-Sondergipfel vom Vortag berichtet. Eine Diskussion habe es nicht gegeben.

Dafür meldeten sich zahlreiche Sozialdemokraten über Interviews zu Wort. Gabriel sagte dem «Spiegel»: «Wenn Merkel von der Leyen ohne Kabinettsbeschluss benennt, ist das ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Bundesregierung - und ein Grund, die Regierung zu verlassen.»

Die Bundesregierung wies den Vorwurf zurück. Der EU-Rat habe die Pflicht, dem Europaparlament einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vorzuschlagen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Nur die anderen Mitglieder der EU-Kommission müssten nach den Regeln der Europäischen Verträge zunächst von den nationalen Regierungen ernannt werden.

Die kommissarische SPD-Spitze hatte die Personalie schon am Dienstagabend strikt abgelehnt. «Damit würde der Versuch, die Europäische Union zu demokratisieren, ad absurdum geführt», kritisierten Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel. Zu möglichen Konsequenzen für die große Koalition äußerten sie sich aber nicht.

Die deutsche SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, die frühere Justizministerin Katarina Barley, kündigte im ZDF-«Morgenmagazin» an, sie werde im EU-Parlament nicht für von der Leyen stimmen. «Es ist nicht das Versprechen, das den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl gegeben wurde.» Sie rechne damit, dass auch viele SPD-Kollegen gegen die CDU-Politikerin votieren würden.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der als möglicher künftiger Parteichef gehandelt wird, rügte von der Leyens Nominierung als schweren politischen Fehler. Zwar schätze er die CDU-Politikerin persönlich. Aber mit dem Vorschlag des EU-Rates werde das Thema Spitzenkandidatur bei europäischen Wahlen de facto beerdigt.

Kramp-Karrenbauer nannte die Einigung des EU-Gipfels auf ein Gesamt-Personalpaket dagegen «ein gutes Signal für die Handlungsfähigkeit in Europa». Sie sprach dem Spitzenkandidaten der christdemokratischen Parteienfamilie EVP bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU), ihre Hochachtung dafür aus, «dass er bereit war, seine persönlichen Interessen zurückzustellen im Dienste Europas, im Dienste der EVP, und auch im Dienste Deutschlands». Seitens der Sozialisten in Europa, besonders seitens der SPD in Deutschland habe ein solches Signal zu jeder Zeit gefehlt. «Die SPD macht damit deutlich, dass es ihr am Ende um das eigene parteipolitische Interesse geht. Nicht um Europa, und auch nicht um die Interessen Deutschlands», kritisierte Kramp-Karrenbauer.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte der «Bild»: «Ich fordere die SPD auf, die Interessen des Landes vor die parteipolitische Taktik zu stellen und Ursula von der Leyen mitzuwählen.» Schließlich sei auch Merkel bereit gewesen, den Sozialisten Frans Timmermans mitzutragen. Dies war aber letztlich gescheitert. Auf die Frage, ob daran die Koalition zerbrechen könne, sagte Ziemiak: «Das liegt ganz in den Händen der SPD. Die Union bekennt sich zum Koalitionsvertrag und ist bereit diesen zu erfüllen. Das gleiche erwarte ich von der SPD.»

Söder sagte der dpa zum Widerstand der SPD gegen von der Leyen: «Das ist ein einmaliger Vorgang, dass Deutschland nicht zustimmen konnte, obwohl es eine deutsche Kandidatin gibt.» Es sei blamabel, dass die SPD nicht in der Lage sei, sich zu einer konstruktiven Haltung durchzuringen. Die CSU hatte das Amt des Kommissionspräsidenten bis zuletzt für EVP-Fraktionschef Weber gefordert. Dieser war jedoch nicht durchsetzbar, genauso wenig wie der niederländische Sozialdemokrat Timmermans.

Söder lehnte eine Kabinettsumbildung mit Beteiligung der CSU-geführten Ministerien ab. «Für die CSU kann ich sagen: Wir haben unsere Positionen, mit denen sind wir zufrieden und wollen da keine Veränderung», sagte er in München. Die CSU hat das Ressort Inneres mit Horst Seehofer besetzt, Verkehr mit Andreas Scheuer und Entwicklung mit Gerd Müller.

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