Heftige Kritik nach Scheitern des EU-Gipfels zur Klimaneutralität

DPA

Das Scheitern der EU-Staats- und Regierungschefs bei der Festlegung auf eine Klimaneutralität bis 2050 ist bei Umweltaktivisten auf scharfe Kritik gestoßen.

Diese warfen der EU am Freitag vor, nicht ausreichend auf die Sorgen der Menschen vor dem Klimawandel zu reagieren. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte, es müsse jetzt um die konkreten Maßnahmen gehen, wie das Ziel einer Treibhausgasneutralität bis 2050 erreicht werden könne.

Trotz wachsender Unterstützung unter den EU-Mitgliedstaaten hatten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel am Donnerstag nicht auf das Ziel einer Treibhausgasneutralität bis 2050 einigen können. In der Gipfelerklärung wird nun lediglich noch in einer Fußnote erwähnt, dass die große Mehrheit der Mitgliedstaaten für dieses Ziel ist. Für einen Beschluss wäre Einstimmigkeit notwendig gewesen; Polen, Ungarn und Tschechien verhinderten aber eine Einigung.

"Die Hauptsorge der Menschen in der EU ist die Klimakrise und die Frage, wie man sie eindämmt", erklärte Christoph Bals von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Zwar hätten die EU-Staats- und Regierungschefs darauf reagiert, indem sie den Klimaschutz zu einer Hauptaufgabe gemacht hätten. "Aber sie sind gescheitert bei der ersten Bewährungsprobe für diese Schwerpunktsetzung."

Auch die Umweltorganisation WWF kritisierte das Scheitern des 2050-Ziels scharf: 24 Mitgliedstaaten seien dafür gewesen und hätten "zugelassen, dass ihre Entschlossenheit von lediglich drei Blockierern - Polen, Tschechien und Ungarn - verwässert wird." Die EU habe sich damit "selbst einen verheerenden Schlag in punkto Klima-Führung versetzt" und "all die Menschen im Stich gelassen, die in den vergangenen Monaten massiv für ein Handeln beim Klima eingetreten sind".

Das Klima-Netzwerk Can Europe erklärte, angesichts des "Klimanotstands", sei ein Scheitern neuer und höherer Klimaziele "unverantwortlich".

Die Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Ska Keller, schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, das Klima könne nicht warten, aber nicht alle EU-Staats- und Regierungschefs wollten das erkennen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte beim EU-Gipfel in Brüssel, sie habe "im März noch nicht damit gerechnet (...), dass wir eine so breite Mehrheit für die Klimaneutralität im Jahr 2050 bekommen". "Insofern muss ich sagen, finde ich, dass es besser ist, als ich erwartet habe."

EU-Ratspräsident Donald Tusk verwies auf die "große Mehrheit" von 24 Mitgliedstaaten, die sich bereits zu dem 2050-Ziel bekannt habe. Obwohl es am Donnerstag "unmöglich" gewesen sei, Einstimmigkeit zu erreichen, gebe es Grund genug zu glauben, dass sich dies ändern werde. Kein Land habe dies ausgeschlossen.

Aus der Wirtschaft kamen erleichterte Reaktionen. Mit ihrem "Verzicht auf die Festlegung für eine europaweite Treibhausgasneutralität bis 2050" habe die EU "verhindert, dass die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit in Europa noch größer wird", erklärte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Holger Lösch. Die "erheblichen Umsetzungsdefizite der nationalen Energie- und Klimapläne" beunruhigten die deutsche Industrie.

Bundesumweltministerin Schulze erklärte am Freitag, sie bedauere "sehr, dass die erforderliche Einstimmigkeit jetzt noch nicht erzielt werden konnte". Wichtig sei es nun, mit Polen, Ungarn und Tschechien "in einen inhaltlichen und fairen Dialog einzutreten".

Knackpunkt für Polen waren Forderungen nach Unterstützung der EU, um den Wandel seiner stark von Kohle geprägten Energieversorgung zu bewerkstelligen. "Wenn wir nicht wissen, wie der Ausgleichsmechanismus aussieht, können wir nicht zustimmen", begründete ein polnischer Diplomat die ablehnende Haltung seines Landes. Er forderte die Ausarbeitung eines solchen Mechanismus vor der Festlegung auf das 2050-Ziel.

Klimaneutralität bedeutet nicht, dass es in den Staaten keine Emissionen mehr geben darf. Sie müssten aber durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden - etwa durch den Ausbau erneuerbarer Energien oder Aufforstung.

jah/ju

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