Nach Lübcke-Mord: Neue Drohungen gegen Politiker

AFP

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, der Bürgermeister von Altena und weitere deutsche Politiker Morddrohungen erhalten.

Die Polizei bestätigte am Mittwochabend in Köln, dass eine Drohung gegen Reker nach dem Mord an Lübcke eingegangen sei. Ob es einen Zusammenhang mit dem Verbrechen gäbe, könne er nicht sagen, fügte ein Polizeisprecher hinzu. Zuständig sei zentral das Landeskriminalamt Berlin, da neben Reker auch andere Politiker Drohungen erhalten hätten. Zuerst hatten «Bild» und WDR darüber berichtet. Vom Landeskriminalamt Berlin war am Abend keine Stellungnahme zu erhalten.

Der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass auch er bedroht werde. Er habe in der Vergangenheit immer wieder mal Morddrohungen erhalten. Zuletzt sei am Dienstag eine eingegangen, sagte er. Sowohl Reker als auch Hollstein waren in den vergangenen Jahren zum Ziel von Attentätern geworden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte eine rasche Aufklärung des Mordes an Lübcke. Das Verbrechen müsse «umfassend und schnellstmöglich aufgeklärt werden», sagte er am Mittwochabend zum Start des Evangelischen Kirchentags in Dortmund. Er fügte an: «Auch das entscheidet über Vertrauen in unseren Rechtsstaat und Vertrauen in unsere Demokratie.»

Steinmeier betonte, das «abscheuliche Verbrechen» habe Erschütterung ausgelöst. «Schon der Verdacht, dass in diesem Land, einem Land mit dieser Geschichte, jemand, der für die Demokratie gearbeitet hat, hingerichtet wird durch einen politischen Mord, mutmaßlich begangen von einem überzeugten Rechtsextremisten, und dem einige im Netz dann auch noch Beifall klatschen, das ist alles furchtbar und unerträglich.»

Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverletzung am Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha entdeckt worden und wenig später gestorben. Am Wochenende wurde der mutmaßliche Rechtsextremist Stephan E. in Untersuchungshaft genommen. Die ermittelnde Bundesanwaltschaft stuft den Mord als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein.

Der Verdacht, dass der Mörder Lübckes nicht alleine handelte, wird nach Informationen von «Süddeutscher Zeitung», NDR und WDR durch einen Zeugen genährt. «Sollte sich der Verdacht erhärten, dass es einen rechtsextremen Hintergrund gibt, ist klar: Das ist eine Tragödie für unsere Demokratie», sagte Außenminister Heiko Maas dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Grenzen zwischen rechtspopulistischen und militanten Gruppierungen seien fließend. «Diese rechtsterroristische Gefahr müssen wir dringend sehr ernst nehmen», sagte Maas.

Auch Grünen-Parteichef Robert Habeck verlangte eine schnelle Auflärung. «Die Sicherheitsbehörden müssen mögliche rechtsextreme oder rechtsterroristische Strukturen schnell, gründlich und umfassend durchleuchten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Dazu gehört zu prüfen, ob es auch mögliche Verbindungen zu anderen Fällen wie dem NSU-Komplex gibt.» Für die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), ist eine zentrale Frage, ob der Täter Teil eines rechtsterroristischen Netzes gewesen sei.

Eine fatale Verrohung der Sprache und der Umgangsformen sieht der CDU-Politiker Friedrich Merz. «Und dort wo Sprache verroht, verrohen die Umgangsformen, und wo die Umgangsformen verrohen, geschehen politische Anschläge», sagt er in der ARD-Sendung «maischberger.die woche». Lindholz griff in diesem Zusammenhang die AfD an. «Viele Äußerungen aus den Reihen der AfD sind schockierend und ein klarer Verstoß gegen den parlamentarischen Konsens», sagte Lindholz der «Passauer Neuen Presse» (Donnerstag). «Diese Enthemmung der politischen Rhetorik strahlt auch auf die Gesellschaft aus.»

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte davor, mit einem aggressiven Tonfall in Diskussionen Gewalt zu fördern. Sie habe die Sorge, dass aus Worten irgendwann auch Taten würden, wenn man hier Barrieren niederreiße, sagte Merkel in einer Diskussion mit Schülern in Goslar.

Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber warf mit Blick auf die Tat die Frage auf, wie Verfassungsfeinden wirkungsvoll begegnet werden könnte: Mit seiner Forderung, ihnen bestimmte Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu entziehen, trat er eine heftige Kontroverse los. Kritik kam von der FDP. «Man schützt die freiheitliche Rechtsordnung nicht, indem man Freiheitsrechte aufhebt. Die Meinungsfreiheit ist der Kern der liberalen Demokratie», schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, in einem Gastbeitrag für die «Welt».

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