Politiker verbitten sich Einmischung von US-Botschafter Grenell

DPA

Kurz vor dem 70. Geburtstag der Nato droht der Streit zwischen Deutschland und den USA über die Verteidigungsausgaben wieder zu eskalieren.

Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, nannte den Haushaltsplan von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für die nächsten fünf Jahre inakzeptabel und sorgte damit in den Reihen der Koalition für massiven Unmut. Mehrere Politiker von Union und SPD verbaten sich eine Einmischung in interne Angelegenheiten. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider sprach sogar von einer «plumpen Provokation» eines «Flegels».

Hintergrund sind die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2020 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2023, die am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll. Zwar sind darin für nächstes Jahr rund zwei Milliarden Euro zusätzlich fürs Militär vorgesehen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte aber deutlich mehr gefordert. Die Nato-Quote soll nach dem Plan von Scholz im Jahr 2020 auf 1,37 Prozent steigen, bis 2023 aber wieder auf 1,25 Prozent sinken. Man «fahre auf Sicht», hieß es dazu am Montag im Finanzministerium. Die Bundesregierung hatte eigentlich als Ziel ausgegeben, 2024 dann 1,5 Prozent für Verteidigung auszugeben.

Grenell ging unmittelbar nach Bekanntwerden der Zahlen auf die Barrikaden. Deutschland entferne sich mit der Finanzplanung vom Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Die Nato-Mitglieder haben sich klar dazu bekannt, sich bis 2024 auf zwei Prozent zuzubewegen und nicht davon weg. Dass die Bundesregierung es auch nur in Erwägung zieht, ihre ohnehin schon inakzeptablen Beiträge zur militärischen Einsatzbereitschaft auch noch zu reduzieren, ist ein beunruhigendes Signal Deutschlands an seine 28 Nato-Verbündeten.»

Die Aussagen sorgten am Dienstag für große Aufregung in der Koalition. «Herr Grenell ist ein diplomatischer Totalausfall», sagte Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, der dpa. Der Botschafter pflege seit längerem einen zwischen engen Verbündeten nicht akzeptablen Umgangston und Stil. «Das alles erinnert eher an das Gehabe eines Flegels.» Grenell wolle offenbar nicht anerkennen, dass Deutschland im Rahmen seiner Bündnisverpflichtungen, etwa in Afghanistan, einen großen Beitrag leiste. «Mit seinen wiederholten plumpen Provokationen schadet Herr Grenell den transatlantischen Beziehungen.»

Diplomatischer äußerte sich Kanzlerin Angela Merkel. Aber auch die CDU-Politikerin wies Kritik an den deutschen Verteidigungsausgaben zurück. Merkel verwies bei einer Konferenz darauf, dass der Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP in den vergangenen Jahren trotz des Wachstums der Wirtschaft stetig gestiegen sei. Deutschland werde die Anstrengungen fortsetzen - aber nicht auf Kosten der Entwicklungshilfe. Es wäre falsch, nur auf die Verteidigungsausgaben und Militärisches zu setzen. Man müsse auch auf Krisenprävention und Entwicklung setzen, sagte Merkel.

Die Kanzlerin warnte zudem davor, die mittelfristige Finanzplanung zum Maßstab zu nehmen - sie sprach von «minimalen Daten». Entscheidend seien aber die realen Ausgaben für das jeweilige Jahr. Diese würden erfahrungsgemäß immer nach oben korrigiert werden.

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies eine Einmischung Grenells in die deutsche Haushaltsplanung formell zurück. Der Bundestag lasse sich keine Ratschläge mit auf den Weg geben, sagte Dobrindt. Inhaltlich aber äußerte er ebenfalls Kritik an der mittelfristigen Finanzplanung von Scholz. Die CSU wolle den Bündnisverpflichtungen nachkommen. Aus diesem Grund fordere sie eine deutliche Steigerung des Verteidigungsetats auch in der Zukunft.

Der deutsch-amerikanische Streit über die Verteidigungsausgaben flammt ausgerechnet zwei Wochen vor dem 70. Gründungsjubiläum der Nato wieder auf. Am 3. und 4. April treffen sich die Außenminister des Bündnisses in Washington, um den Geburtstag zu feiern. Für den deutschen Chefdiplomaten Heiko Maas (SPD) könnte es angesichts der neuen Haushaltszahlen eine ungemütliche Veranstaltung werden.

Hintergrund des innenpolitischen Streits ist ein grundsätzlicher Konflikt um die Verteilung der Mittel - denn die Zeiten der vollen Bundeskassen neigen sich dem Ende zu. Zwar schafft Scholz erneut einen Haushalt ohne neue Schulden, aber nur mit Mühe. Seine Kabinettskollegen sind in den kommenden Jahren zu milliardenschweren Einsparungen aufgefordert.

Die Zeiten haben sich geändert, denn die Konjunktur in Deutschland trübt sich ein. Auch die «Wirtschaftsweisen» senkten am Dienstag ihre Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft deutlich - sie rechnen nun nur noch von einem Plus von 0,8 Prozent. Das hat Auswirkungen auf die Steuereinnahmen des Bundes, die Zuwächse fallen geringer aus als prognostiziert. Die Lage könnte sich noch verschärfen - im Mai steht die neue Steuerschätzung an.

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