Pro Asyl: Berlin ignoriert neue UN-Einschätzungen zu Afghanistan
- AFP, BERLIN
- Oct 03, 2018
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat der Bundesregierung vorgeworfen, neue UN-Einschätzungen zur Sicherheitslage in Afghanistan bei ihrer Abschiebepraxis zu ignorieren. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt verwies am Dienstag in Berlin auf Feststellungen des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR vom 30. August, wonach die Hauptstadt Kabul generell als Schutzort für Betroffene ausgeschlossen sei. Insofern sei ein an diesem Dienstag geplanter neuer Abschiebeflug nach Kabul "unverantwortlich".
"Die Bundesregierung darf Erkenntnisse internationaler Quellen wie des UNHCR nicht in den Wind schlagen", forderte Burkhardt. "Unrecht wird nicht zu Recht, indem man die Phrasen von den sicheren Inseln in Afghanistan selbst zum siebzehnten Mal wiederholt und Menschen per Abschiebung in Gefahr bringt", warf er den Verantwortlichen vor. Geradezu "absurd" sei die Behauptung der Bundesregierung, bei den UNHCR-Feststellungen handele es sich nur um eine unverbindliche "Empfehlung".
Pro Asyl forderte wegen der Sicherheitslage in Kabul einen sofortigen Abschiebestopp dorthin, wie ihn beispielsweise Finnland nach der Bekanntgabe des UNHCR-Berichts bereits verhängt habe. Auch für andere afghanische Städte verlange das UNHCR konkrete Einzelfallprüfungen, ob diese für Betroffene überhaupt sicher und legal erreichbar seien - was in der Regeln nicht gewährleistet werden könne.
Die deutschen Behörden organisieren regelmäßig Sammelabschiebungen nach Afghanistan. Die bis zum Sommer geltende Einschränkung, wonach nur Straftäter, Gefährder und sogenannte Identitätsverweigerer abgeschoben werden sollten, war von der Bundesregierung ungeachtet der Sicherheitslage in dem Land aufgehoben worden. Allerdings ist die tatsächliche Abschiebepraxis der einzelnen Bundesländer unterschiedlich. Eine offizielle Bestätigung für den geplanten neuen Abschiebeflug gab es wie stets in solchen Fällen zunächst nicht.