SPD nominiert heute Schulz für Kanzlerkandidatur

Reuters

Mit neuer Hoffnung auf Rückenwind fürs Wahljahr 2017 nominiert die SPD heute bei einer Klausurtagung den langjährigen Europapolitiker Martin Schulz als Kanzlerkandidaten und Parteichef.

Zum Auftakt des zweitägigen Vorstandstreffens in Berlin wird mit besonderer Spannung die erste große Rede von Schulz zu inhaltlichen Schwerpunkten im Bundestagswahlkampf erwartet.

Schulz selbst, aber auch andere SPD-Spitzenpolitiker setzen im Wettstreit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Sieg. «Er steht für Aufbruch und Neuanfang. Martin Schulz ist der richtige Mann zur richtigen Zeit», sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Ähnlich äußerte sich die Familienministerin und stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig.

Mit Schulz kann sich die in der Wählergunst schwächelnde SPD nach Maas' Worten im Kampf gegen Rechtspopulismus noch stärker profilieren. Als EU-Parlamentarier habe der Mann vom Niederrhein «Silvio Berlusconi in die Schranken gewiesen und griechische Neonazis aus dem Parlament geworfen». Schulz verkörpere eine klare Haltung gegen Rechtspopulisten, sagte Maas. Im Wahljahr 2017 werde sich entscheiden, ob autoritäre Populisten und Nationalisten auch in Europa den Kurs bestimmten, warnte der Justizminister.

Nach aktuellen Umfragen von ARD und ZDF kommt der 61-jährige bisherige EU-Parlamentspräsident Schulz bei den Bürgern ähnlich gut an wie die seit 2005 amtierende Kanzlerin Merkel. Unter anderem deswegen hatte der noch amtierende SPD-Chef Sigmar Gabriel vorige Woche seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur bekanntgegeben. Gabriel bleibt als Außenminister und Vizekanzler in der schwarz-roten Regierung, gibt aber auch den SPD-Vorsitz an Schulz ab.

«Martin Schulz will Bundeskanzler werden, wir wollen die Regierung anführen», sagte Schwesig der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). «Es herrscht eine starke Aufbruchstimmung innerhalb der Partei, auch wenn sich das Blatt nicht in drei Tagen wenden lässt.» Schulz könne die Herzen erreichen und Menschen begeistern. «Angela Merkel schafft das nicht. Ihre große Schwäche ist, dass sie lange abwartet und am Ende eine Entscheidung trifft, ohne die Leute darauf vorzubereiten. Das war auch das große Manko in der Flüchtlingsfrage.»

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, könnten die Sozialdemokraten nach dem neuen ZDF-«Politbarometer» mit einem Plus von drei Punkten auf 24 Prozent zulegen. Sie blieben aber weiterhin klar hinter CDU/CSU (unverändert 36 Prozent).

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann setzt dennoch auf Sieg bei der Bundestagswahl am 24. September. Die große Koalition dürfe keine Dauereinrichtung sein. «Demokratie lebt vom Wechsel. Wir wollen ins Kanzleramt.»

Der künftige Parteichef Schulz wecke mit seiner leidenschaftlichen, klaren Sprache Emotionen. «Entscheidend ist, dass er authentisch ist und auch viele Menschen anspricht, die eigentlich nicht mehr an die Politik glauben», sagte Oppermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Machtoptionen nach der Wahl seien offen, sagte Oppermann. «Wir werden die erste Bundestagswahl erleben, bei der keine Partei vorher eine Koalitionsaussage macht.»

Auch Schwesig hält es für richtig, eine Koalitionsaussage zu vermeiden. «Wir werden im Bundestagswahlkampf keine Koalition ausschließen - außer mit Rechtspopulisten», sagte sie der «Schweriner Volkszeitung». SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte der «Rheinischen Post», sie erwarte einen «Schulz-Effekt» schon bei der Landtagswahl in Schulz' Heimat Nordrhein-Westfalen im Mai. «Er wird dort im Wahlkampf richtig einheizen.»

Für einen Wahlerfolg von Schulz gilt nun als besonders wichtig, dass er seine derzeit hohen Umfragewerte dauerhaft zu einem Rückhalt weiterentwickelt. Er muss einerseits für Europa werben, aber auch mit nationalen Themen wie innere Sicherheit und Terrorabwehr punkten. Da ein Bündnis aus SPD, Linkspartei und Grünen für Schulz die einzige realistische Möglichkeit ist, Merkel abzulösen, sollte er auch für Rot-Rot-Grün zugänglich sein. Und: Keine andere Landtagswahl gilt so sehr als Generalprobe für den Bund wie Nordrhein-Westfalen am 14. Mai - dort, in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland, muss sich der «Schulz-Effekt» für die SPD definitiv zeigen.

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