Wahlen 2017: EU rechnet mit russischem Medienfeldzug gegen Merkel
- AFP, BRÜSSEL
- Jan 24, 2017
Die EU geht im Wahljahr 2017 von einer intensivierten russischen Desinformationskampagne gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus. Merkel sei bereits im vergangenen Jahr insbesondere wegen ihrer Flüchtlingspolitik ins Visier des von Moskau gesteuerten Medienfeldzugs geraten, sagte ein EU-Vertreter am Montag unter Berufung auf Erkenntnisse einer internen Arbeitsgruppe. Vor der Bundestagswahl müsse die Kanzlerin mit weiteren Attacken rechnen.
Auch Frankreich und die Niederlande, wo in diesem Jahr ebenfalls Wahlen anstehen, seien mutmaßliche Ziele einer russischen Desinformationskampagne, sagte der EU-Vertreter in Brüssel vor Journalisten. Er berief sich auf die Arbeitsgruppe für "strategische Kommunikation Ost" (East StratCom Task Force), die im Sommer 2015 ihre Arbeit aufgenommen hatte. Die Taskforce mit rund einem dutzend Experten soll russische Medien auswerten und manipulierte Meldungen auch in anderen Publikationen identifizieren.
Nach Einschätzung dieser Fachleute streut der Kreml gezielt Falschinformationen, "um seine politischen Ziele zu erreichen", sagte der EU-Vertreter. Die Arbeitsgruppe, die über ihre Arbeit auf der Website euvsdisinfo.eu informiert, hat demnach "mehr als 2500 Beispiele in 18 Sprachen" aufgedeckt.
Seit den Migranten aus Nordafrika zugeschriebenen sexuellen Übergriffen der Kölner Silvesternacht 2015/2016 habe sich "die Desinformation auf Angela Merkel konzentriert", sagte der EU-Vertreter. Ihre Politik werde nicht nur für die Flüchtlingskrise verantwortlich gemacht, sondern teils auch für die jüngsten Anschläge in Europa.
Auch der deutsche Verfassungsschutz hatte im Dezember vor einer russischen Einmischung in den anstehenden Bundestagswahlkampf gewarnt. Seit dem Beginn der Ukraine-Krise 2014 beobachtete die Behörde nach eigenen Angaben einen erheblichen Anstieg russischer Propaganda- und Desinformationskampagnen in Deutschland.
EU-Sicherheitskommissar Julian King forderte die EU-Staaten auf, das Problem der Cyberbedrohung ernster zu nehmen. "Mehr und mehr Hacker nutzen den Cyberspace, um Zweifel in unserem politischen System zu säen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Wie auch Cyberkriminelle "wollen diese Leute gerne im Dunkel bleiben". Es müsse deshalb zunächst Ziel sein, "das ans Licht zu holen, damit die Menschen sich der Bedrohung bewusst werden".