Umstrittene BND-Reform: Emails und Anrufe im Ausland können stärker überwacht werden
- REUTERS, BERLIN
- Oct 21, 2016
Die Linken-Abgeordnete Martina Renner kritisierte, die Regierung legalisiere damit eine anlasslose Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst. Die Koalition verteidigte das Gesetz, das der Überwachung von Datenströmen in Krisenregionen wie etwa dem von der Terrororganisation Daesh beherrschten Gebiet in Syrien und dem Irak diene. "Wie wollen wir denn auf Terrorverdächtige kommen? Wie wollen wir sie denn entdecken, wenn nicht so?", fragte der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger.
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte das Gesetz dagegen verfassungswidrig. "Unsere Verfassung, die Grund- und Menschenrechte, sie sind kein Störfaktor beim Kampf gegen den Terrorismus, sondern sie sind die Grundlage dafür", betonte er. Die Bundesregierung ziehe mit dem Gesetz eben nicht die Konsequenzen aus der NSA-Affäre. "Deswegen prophezeie ich Ihnen: Dieses Gesetz wird vor dem Europäischen Gerichtshof und vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern." Wie von Notz kritisierte auch die Linken-Politikerin Renner die Filter, die eine Überwachung der Telekommunikation deutscher Bürger verhindern sollen. Sie seien nicht zuverlässig, so dass auch Emails und Telefonate von Deutschen, deren Überwachung nicht zulässig ist, dem Dienst ins Netz gehen würden, bemängelte sie.
Der CDU-Politiker Binninger erklärte, kein anderes Parlament habe in diesem Ausmaß die Konsequenzen aus der NSA-Affäre gezogen. Der Zugriff auf die Internetknotenpunkte sei nötig, um dem BND überhaupt die Chance zu geben, auf Terror-Verdächtige aufmerksam zu werden. "Wenn es um die strategisch wichtige Überwachung solcher Verkehre ging, agierte der Bundesnachrichtendienst bisher in einer völligen Dunkelkammer", kritisierte der SPD-Abgeordnete Christian Flisek. Zudem verankere das Gesetz den Schutz von EU-Bürgern und europäischen
Einrichtungen vor Überwachung durch den BND und stelle sie damit deutschen Bürgern gleich. Auch Wirtschaftsspionage werde dem Dienst ausdrücklich verboten. Kooperationsvereinbarungen mit anderen Nachrichtendiensten müssten künftig dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags vorgelegt werden.
Internet-Verband kritisiert Wegfall von 20-Prozent-Grenze
Der Betreiber des weltgrößten Internetknotenpunkts DE-CIX in Frankfurt hatte im September beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Das Unternehmen bezweifelt, dass der Zugriff des BND auf den Internetknoten rechtmäßig ist. "Wir wollen eine gerichtliche Klärung und insbesondere Rechtssicherheit für unsere Kunden und unser Unternehmen", erklärte die DE-CIX Management GmbH. Bisher durfte der BND nach dem sogenannten G10-Gesetz höchstens 20 Prozent der Datenströme einer Leitung überwachen.
Der Verband der Internetwirtschaft (eco) kritisiert, dass sich diese Beschränkung in dem neuen Gesetz nicht mehr findet. Damit werde grünes Licht für eine Komplettüberwachung des Internets gegeben. "Bisher gibt es eine Limitation von 20 Prozent dieser einen Leitung", sagte Klaus Landefeld von eco Reuters TV. Jetzt richte sich die Überwachung auf das ganze Netz, jedes Limit falle weg. "Man hat in die Gesetzesbegründung tatsächlich reingeschrieben, das einzige Limit ist das Budget des Dienstes, weil mit dem Budget des Dienstes könne man nur einen kleinen Teil der Kommunikation überwachen."
Ein wesentlicher Auslöser für die BND-Reform war die NSA-Affäre, mit der die Ausspähung europäischer Konzerne und Beamter durch den deutschen Dienst im Auftrag der NSA bekannt wurde. Künftig darf der BND die Kommunikation von Einrichtungen der Europäischen Union (EU), von EU-Staaten sowie einzelner EU-Bürger nur noch in bestimmten Fällen überwachen, etwa bei Verdacht auf Terrorismus, Waffenschmuggel, Schleusung oder wenn eine andere besondere Relevanz für die Sicherheit Deutschlands besteht.