Straßburger Beschluss: Keine Ausnahme für Musliminnen beim Schwimmunterricht
- AFP, STRASSBURG
- Jan 10, 2017
Muslimische Eltern dürfen ihre Töchter nicht im Namen der Religion vom Schwimmunterricht ausnehmen - das hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg am Dienstag entschieden. Damit wies das Gericht die Klage einer Schweizer Familie mit türkischen Wurzeln ab, die ihren Töchtern den Besuch einer Schwimmklasse mit Jungen und Mädchen verboten hatte.
Die Straßburger Richter urteilten, die Schweizer Behörden hätten rechtmäßig gehandelt, als sie der Familie eine Strafe von umgerechnet rund 1.300 Euro auferlegten. Der Staat wolle Schüler ausländischer Herkunft mit der Pflicht zur Teilnahme an Schwimmklassen "vor dem sozialen Ausschluss schützen".
In der Schweiz sind Ausnahmen vom Schwimmunterricht möglich, aber nur für pubertierende Mädchen. Die Töchter der türkischstämmigen Familie waren zur Zeit des Streitfalls sieben und neun Jahre alt.
Die in Basel lebenden Eltern hatten ihre Klage mit Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention begründet. Er hält fest: "Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit." Dieses Grundrecht werde durch die verpflichtende Teilnahme an Schwimmklassen nicht eingeschränkt, urteilten die Straßburger Richter. Musliminnen hätten die Möglichkeit, einen Burkini zu tragen, einen Ganzkörper-Badeanzug.
In Deutschland hatte das Bundesverwaltungsgericht im September 2013 ähnlich entschieden. Es wies die Klage einer muslimischen Familie aus Frankfurt am Main ab, die ihre Tochter ebenfalls nicht zum Schwimmunterricht schicken wollte.
In dem Schweizer Fall haben die klagenden Eltern noch drei Monate Zeit, um eine erneute Befassung des Gerichts zu verlangen. Die Richter müssen dem aber nicht stattgeben. Urteile des Menschenrechtsgerichts haben grundsätzlich Signalwirkung in ähnlichen Fällen. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt für alle 47 Mitgliedsländer des Europarats.