Vergifteter Babybrei: Täter legt Geständnis ab

EPA

«Der Erpresser ist gefasst?», fragt eine Frau vor einem Konstanzer Supermarkt. «Gott sei Dank. Das hat mich wirklich verunsichert.»

Kurz zuvor hatte die Polizei mitgeteilt, dass sie im Fall der Gläschen mit vergifteter Babynahrung einen 53 Jahre alten Tatverdächtigen festgenommen hat. Gegen den Mann, der die Taten am Samstag gestanden hat, erging Haftbefehl.

Der Erpresser hatte die Beamten tagelang in Atem gehalten: In einer Droh-E-Mail forderte er eine Millionensumme von Lebensmittelkonzernen und Drogeriemärkten - andernfalls wollte er deutschlandweit Produkte vergiften. Schon Mitte September hatte er fünf Gläschen Babynahrung mit Ethylenglycol vergiftet und in einen Supermarkt in Friedrichshafen am Bodensee gebracht. «Sehr skrupellos» nannten die Ermittler den Täter.

«Ich bin wirklich froh, dass er geschnappt wurde», sagt die Frau in Konstanz, während sie ihre Einkäufe in den Kofferraum ihres Autos legt. Trotzdem wolle sie künftig wachsam bleiben: «Man weiß ja nie.» Eine andere Supermarkt-Kundin ist am Samstag ebenfalls skeptisch: «Es ist ja noch nicht hundertprozentig klar, ob er vielleicht Komplizen hatte. Oder ob es Nachahmer gibt.»

Die Ermittler sind sich schnell sicher, dass sie den Richtigen gefasst haben: An den Gläschen in dem Friedrichshafener Supermarkt wurden DNA-Spuren gefunden, die der DNA des am Freitag festgenommenen Verdächtigen ähneln. Außerdem seien in seiner Wohnung in Ofterdingen im Kreis Tübingen verdächtige Gegenstände gefunden worden, sagt Polizeivizepräsident Uwe Stürmer am Samstag auf einer Pressekonferenz in Konstanz und hält eine halbvolle Plastikflasche in die Höhe. So sei etwa ein rund 500 Milliliter fassendes Gefäß entdeckt worden, das zur Hälfte mit Ethylenglycol gefüllt war. Beim Haftrichter legt der Mann dann ein Geständnis ab, er wird in ein Gefängnis gebracht.

In den fünf Babykost-Gläschen aus dem Friedrichshafener Supermarkt seien jeweils rund 40 bis 50 Milliliter Ethylenglycol gefunden worden, sagt Stürmer. «Das passt. Wir sind daher zuversichtlich, dass es uns gelungen ist, das Ethylenglycol gänzlich in unseren Besitz zu bekommen.» Ganz sicher sei das nicht - da nicht klar sei, ob der Mann eventuell noch mehr Gefäße hatte. Die Warnung der Polizei bleibt daher bestehen: Die Beamten bitten die Kunden, beim Einkauf aufmerksam zu bleiben und beschädigte Verpackungen zu melden.

Der Täter habe mit seiner Strategie maximale Verunsicherung erreicht, sagt Stürmer. «Ein normaler Erpresser droht ein Unbill an, um zur Zahlung zu verpflichten. Der jetzige Täter hat im Grunde genommen nicht nur gedroht, sondern auch gehandelt - und das macht ihn so ausgesprochen gefährlich.»

Anhand der Aufnahmen einer Überwachungskamera in dem Friedrichshafener Supermarkt konnten die Beamten relativ genau bestimmen, wann der Mann das Gift ausgebracht hatte und wann die Droh-E-Mail kam. Dazwischen liege eine gewisse Zeitspanne, sagt Stürmer. «Aus unserer Sicht hatte der Täter das überhaupt nicht im Griff, ob so ein Glas abverkauft worden wäre oder nicht. Insofern war das schon ein sehr gefährlicher Fall.»

Dem Mann wird nun versuchte räuberische Erpressung vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung drohten ihm zwischen 5 und 15 Jahren Haft, sagt der zuständige Oberstaatsanwalt Alexander Boger. Sollte auch ein Tötungsvorsatz festgestellt werden, komme eine Anklage wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Betracht.

Der Mann sei gewissermaßen eine gescheiterte Existenz, sagt Stürmer. Er lebe derzeit von Sozialhilfe, habe kein erkennbares soziales Umfeld oder sonst eine Beziehung. «Es ist eine Person, die in ihrer Biografie durchaus Brüche hat und die in der Vergangenheit bereits psychische Auffälligkeiten gezeigt hat. Ich würde ihn mal als Einzelgänger und als exzentrisch bezeichnen.»

Der Erpresser habe anfangs sehr strukturiert und durchdacht gehandelt, sagt Stürmer weiter. Das habe sich im Laufe der Ermittlungen geändert: Mit der Veröffentlichung des Fahndungsbildes sei ein enormer Druck entstanden. «Mich würde es nicht wundern, wenn er in eine gewisse Panik verfallen ist.» Vermutlich habe der Mann gedacht: Ich muss schnell alles loswerden, was mich identifiziert. So habe der Tatverdächtige vermutlich auffällige Turnschuhe und einen Laptop in einem Altkleidercontainer entsorgt, der in der Nähe seiner Wohnung liege. Ein Zeuge habe das beobachtet, sagt Stürmer.

Bei der Festnahme sei der Mann ruhig geblieben: «Solche Zugriffe werden - vor allem, wenn der Täter gefährlich ist - sehr überraschend gemacht», sagt Stürmer. «Und zumindest hat er nicht wie andere danach gefragt, was das soll und was der Grund für die Festnahme ist.» Hatte er sich gewehrt oder gar versucht, zu entkommen? «Nein», sagt Stürmer. «Da hätte er auch keine Chance gehabt.»

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