Prof. Dr. Fuat Sezgin zu Unrecht angeklagt – Arbeitszimmer weiterhin polizeilich versiegelt
- DAILY SABAH, ISTANBUL
- Sep 21, 2017
Der 92-jährige Prof. Dr. Fuat Sezgin gilt mit seinen Entdeckungen und Arbeiten in der Welt der Arabistik und Islamwissenschaft als einer der Vorreiter und Wegbereiter der modernen Forschung in jenem Fachbereich. Er leitete bereits seit 1982 das „Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften" an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Kürzlich wurde gegen ihn wegen „Unterschlagung" und wegen des „Verstoßes gegen das Kulturschutzgesetz" ermittelt. Die Ermittlungen wurden zwar später ausgesetzt, aber sein Arbeitszimmer im Institut ist immer noch polizeilich versiegelt – für Viele aus der Wissenschaftswelt ein Skandal.
Doch was war geschehen? Prof. Sezgin geht davon aus, dass die Uni in Frankfurt und das hessische Wissenschaftsministerium Beschwerde gegen ihn eingelegt haben. Denn Prof. Sezgin wollte einen Teil seiner 30.000 Bücher umfassenden Bibliothek nach Istanbul verlegen. Dort wird seine Arbeit von der Regierung finanziell und logistisch unterstützt. Im Istanbuler „Gülhane Park" wurde sogar eigens das „Museum der Geschichte der Wissenschaft und Technik im Islam" erbaut, wo unter anderem viele Nachbauten der Entdeckungen der islamischen Welt präsentiert werden. Ob die Bundesregierung ihre Finger im Spiel hatte, weiß man nicht, denn bisher hat sich niemand dazu geäußert. Auch die Goethe-Universität gab bisher keine Stellungnahme ab.
Letztendlich ließ aber die Staatsanwaltschaft die Klage fallen, weil sie die Vorwürfe nicht haltbar fand – die Bücher gelten demnach als Eigentum von Prof. Sezgin.
Prof. Sezgin ist wohl damit eines der jüngsten Opfer der Retourkutschen aus Deutschland – denn wie es aussieht, wird der deutsch-türkische Konflikt nun auch auf akademischer Ebene ausgetragen.
Aktuell kann er sein Arbeitszimmer in Frankfurt nicht betreten, da es polizeilich verriegelt wurde. Für jemanden, der sein Leben der Wissenschaft gewidmet hat und den größten Teil seines Lebens - auch im hohen Altern - mit der Forschung verbringt, eine unzumutbare Situation.
„Ich verdanke Deutschland sehr viel, aber das, was mir jetzt widerfährt, macht mich sehr traurig", so Prof. Sezgin gegenüber hr-iNFO. Mit Politik habe er nichts zu tun, er beziehe weder Stellung, noch sei er an einer „Rivalität zwischen beiden Ländern" interessiert.
Im gehe es lediglich um den Erhalt seines von der Wissenschaft geprägten Lebenswerkes für das er in Deutschland keine Zukunft mehr sehe, denn das Regierungspräsidium Darmstadt hatte Prof. Sezgin seines Amtes als Direktor entbunden. Sezgin hat dagegen Klage erhoben - einen Nachfolger gibt es bislang nicht, der Posten ist aktuell unbesetzt.
Dennoch will Prof. Sezgin seiner alten Arbeitsstätte nicht den Rücken kehren. Er möchte, dass die Bücher digitalisiert werden, so dass sie in Frankfurt immer noch zur Verfügung stehen.
Prof. Fuat Sezgin begeisterte sich schon sehr früh für die Kultur und Geschichte des Islamischen Raums. Sein Interesse für den Fachbereich wurde geweckt, nachdem er an den Vorlesungen des deutschen Orientalisten Hellmut Ritter (1892-1971) in Istanbul teilnahm. Von 1943 bis 1951 studierte er dann an der „Universität Istanbul" Islamwissenschaft und Arabistik. Seine türkischsprachige Doktorarbeit „Buhari'nin kaynakları" (Die Quellen von al-Buchari) über dessen Hadith-Sammlung, wies nach, dass al-Buchari auf eine Kette schriftlicher Quellen zurückgreift, die bis in das 7. Jahrhundert n. Chr. zurückreiche, also bis zur Frühzeit des Islams.
Nachdem sich 1960 das Militär in der Türkei an die Macht putschte, verlor er seine Lehrerlaubnis. Ein Jahr später zog er nach Frankfurt, wo er an der dortigen Uni zunächst als Gastdozent lehrte. Seine Schwerpunkte sind seitdem die Geschichte der Naturwissenschaften im islamischen Kulturkreis sowie die Geschichte des arabisch-islamischen Schrifttums. Die gleichnamige Reihe besteht aktuell aus 17 Bänden und behandelt vielfältige Zweige der islamischen Wissenschaftsgeschichte. Prof. Sezgin hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die wissenschaftliche Pionierarbeit der islamischen Welt in ihrer Bedeutung erkannt und gewürdigt wird. Darüber hinaus gehen zahlreiche Übersetzungen alter arabischer Quellen auf ihn zurück.
Prof. Sezgin ist auch der erste Träger des Preises für Islamwissenschaft der „König-Faisal-Stiftung". 2001 wurde er mit dem „Großen Verdienstkreuz" der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Dies sind nur einige seiner Auszeichnungen. 2009 sollte er zusammen mit Salomon Korn den „Hessische Kulturpreis" bekommen. Prof. Sezgin lehnte ab, da Korn Israels Angriff auf Gaza rechtfertigte.